Reigen der Generationen

„ZeitSprünge”: Zeit – Tanzen seit 1927, die Zweite

Ursula Cain ist mittlerweile achtzig Jahre alt. Vor anderthalb Jahren stand sie mit drei weiteren ehemaligen Mitgliedern des Leipziger Balletts das erste Mal wieder auf der Bühne des Kellertheaters. Die Produktion Zeit – Tanzen seit 1927 hat sich auf zahlreichen Gastspielen zur Erfolgstory gemausert, Trevor Peters hat für Arte darüber gerade einen Film gedreht. Heute treffen die Alten auf fünf Tänzer der heutigen Generation: Zeitsprünge.
Ursula Cain, Christa Franze, Siegfried Prölß und Horst Dittmann betreten zwanglos mit dem Publikum den Raum, im Hintergrund Aufnahmen von Probenszenen, langsam setzt sich Musik durch, wird dichter. Nina Patricia Hänel, Sahra Huby, Christine Joy Alpuerto, Timo Draheim, und Michael Veit stürmen die Bühne bei rhythmisch sphärische Musik, zu der sich die Jungen in wilden chaotischen Aktionen gebärden: „Wer will heute noch klassisch tanzen?“ Ursula Cain protestiert aufs deutlichste, kämpferisch zum Teil sehr humorvoll prallen die Generationen aufeinander. Die sehr narrativ angelegten Szenen haben ihren Ausgangspunkt in Alltagssituationen: Jugendliches Streiten und Raufen, in akrobatischen Einlagen ausgetragen, wird von Siegfried Prölß souverän beendet, im Hintergrund singen die Geigen. Horst Dittmanns allzu deutliche Reaktion auf jugendlich weibliche Reize stößt auf den Widerstand von Christa Franze, die versucht den Alten zur „Vernunft“ zu bringen. Einen besonderen Charme entwickelt eine romantische Szene: Ein altes und ein junges Paar verschwenden sich aneinander. Interessant wie viel authentischer Ursula Cain und Horst Dittmann agieren. Trotz körperlicher Einschränkungen sitzen die Gesten und sind glaubhaft, im Vergleich wirken die Jungen hier blasser.
Das ist die Botschaft des Stückes: Über die Bewegungen, die körperliche Präsenz werden die Geschichten der Personen vermittelt. Was in Zeit – Tanzen seit 1927 sehr subtil herausgearbeitet war, wird im Aufeinandertreffen der Generationen deutlicher. Die Erfahrungen, Glück und Unglück sind den Menschen eingeschrieben. Heike Hennig schafft es durch ihren konzentrierten Ansatz die Geschichten der Tänzer lesbar zu machen. In charmanter Weise werden wir in ZeitSprünge zudem Zuschauer der gegenseitigen Bereicherung von Jungen und Alten, ein deutliches Signal gegen den gerade in letzter Zeit deutlichen Trend die Generationen gegeneinander abzugrenzen.

ZeitSprünge

Ein Tanzstück von Heike Hennig & Company
Tanz: Ursula Cain, Christa Franze, Siegfried Prölß, Horst Dittmann, Nina Patricia Hänel, Sahra Huby, Christine Joy Alpuerto, Timo Draheim & Michael Veit
Produktion: Friedrich Ulrich Minkus, tanz-scene Leipzig

Premiere: 7. Juni 2007, Kellertheater Oper Leipzig

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