Ein glänzendes Bild

Wem soll Kunst gehören?: „Stealing Klimt”

Das glänzende Gold auf Gustav Klimts Bildnis der jungen Adele Bloch-Bauer scheint auf, als die Mitarbeiter des Los Angeles County Museum of Art das gerade gelieferte Bild an der strahlend weißen Wand befestigen. Es war seit 1941 das erste Mal, dass fünf der am 14. März 1938 ?arisierten‘ Kunstwerke wieder zusammen gezeigt wurden: die beiden Porträts der Frau des Großindustriellen Ferdinand Bloch-Bauer von 1907 und 1912, Buchenwald (Birkenwald) von 1903, Apfelbaum I von 1912, Häuser am Unterach am Attersee von 1916 und schließlich Amalie Zuckerkandl von 1918, dem Todesjahr des Malers.

Die überbordende Ornamentik des Kleides von Adele führt Ansätze weiter, die bereits auf früheren Porträts erkennbar sind, so die Judith-Bilder von 1901 und Bildnisse von Emilie Floge (1902) und Fritza Riedler (1906). Auch das berühmte Bild Der Kuss, zur gleichen Zeit entstanden, zeigt jene Verbindung aus naturnaher Abbildung und ornamentaler Überhöhung, welche den Jugendstil im Allgemeinen und den österreichischen Secessions-Stil im Besonderen prägt. Letzteren hatte Klimt im Wesentlichen mitbegründet, und sein Sonderweg abseits von Historismus, wie die umstrittene Gestaltung der Wiener Universität mit den Wandgemälden Philosophie, Medizin und Jurisprudenz (1901-1903), führte zu einem exponierten Künstlerstatus, der ein Jahr vor seinem Tod in einer Ehrenmitgliedschaft in der Wiener Akademie der Bildenden Künste mündete (1917).

Doch weniger die kunstgeschichtliche Bedeutung der Bilder steht im Fokus des Filmes, als vielmehr die Geschichte der Kunstgegenstände und deren langer Weg aus den Händen der jüdischen Großindustriellen-Familie Bloch-Bauer in den Besitz der Drittes-Reich-Führer, ihr Verbleiben in österreichischen Museen bis zur gerichtlich erwirkten Rückführung zu den heutigen Erben, deren letzter Schritt der Ausverkauf der Bilder bei Christie’s war. Daher erzählt der Film in erster Linie die Geschichte der 90jährige Maria Altmann, eine Nichte des kinderlosen Ehepaar Adele und Ferdinand Bloch-Bauer. Die Vertreibung und Enteignung der Juden durch die begeistert aufgenommenen deutschen Truppen im Jahr 1938 setzte deren kunstliebendem und -unterstützendem Leben ein Ende; Nationalsozialisten plünderten die Wiener Wohnung der Familie und erpressten von den verbliebenen Verwandten die letzten Besitztümer. Marias Vater wurde verhaftet und interniert, erst nach dem Freikauf durch einen reichen Verwandten in Paris konnte die Familie flüchten und gelangte schließlich, wie so viele österreichische Juden, in Los Angeles. So vermittelt der Film eindringlich das Gefühl des Verlustes nicht nur von Gemälden, sondern der Würde eines privilegierten Lebens.

Hier zeigt der Film seine emotionelle Botschaft, wegen der das Ende des gezeigten Weges enttäuschen muss. Es fühlte sich richtig an, was geschah, nach der langen Phase erfolglosen Ankämpfens gegen die unverschämten Verdrehungen österreichischer Eliten in Politik und Wirtschaft, gegen das scheinheilige Zitieren von Nationalidentität und Kulturerbe im Anblick gewaltsam-selbstherrlicher Aneignung von Kunstschätzen, die wie eine Juwelensammlung in den Schatullen der nationalsozialistischen Châteaus zusammengeworfen wurden. Es ging um Vergangenheitsbewältigung, um inneren Frieden, um Reparation. Doch auch die Frage, wem Kunst gehören soll, wurde hier ausgefochten: Auftragsgebern und ihren Erben, Staaten, Nationen, privaten Käufern, Museen, Stiftungen, oder gar den Künstlern?

Nach 1998 entwickelte sich um die Klimt-Bilder ein Rechtsstreit, der bis hin zum US Supreme Court und zu einem nationalen Schiedsgericht in Österreich ausgetragen wurde und die bisher eindringlichste Auseinandersetzungen um den florierenden Markt der Beutekunst forcierte. Dass hier vor allem je nach Wert der Kunstwerke entschieden wurde, zeigt das Tauziehen um die Klimt-Bilder: Mit dem Restitutionsgesetz von 1998 wurde durchgesetzt, dass die durch derartige Tauschgeschäfte einbehaltene Kunst den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden muss. Doch die fünf Gemälde, vor allem die beiden Adele-Porträts, wurden in der Praxis davon ausgenommen. Die vom österreichischen Prozessrecht geforderte anteilige Kaution auf den Streitwert, die die Erben bei Einforderung stellen sollten, in diesem Fall etwa mehrere hundert Millionen Euro, konnte von diesen jedoch nicht erbracht werden. Was sich dann um Maria Altmann und ihre Rechtsberater, darunter der Schönberg-Sohn E. Ronald Schoenberg, auftürmte, war ein kompliziertes Netz aus Staatsmacht, Kulturerbe als nationales Prestige, öffentlicher Meinung und Medienbeeinflussung, juristischer Spitzfindigkeit, persönlicher Profilierung und nicht zuletzt den Einfluss von Großkapital.

Die filmische Darstellung dieses Geflechts basiert nicht auf rationaler Analyse und ist nicht um klare Darlegung der Rechtslage und der verschiedenen Einflüsse bemüht, zumindest gelingt es nicht. Der Drehbuch-Autor, Martin Smith, profilierte sich mit Dokumentarfilmen zur Nazi-Diktatur und zum Vietnam-Krieg, auch organisierte er die Dauerausstellung des Holocaust Museums in Washington. Er vermittelt in diesem Film das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen und fasziniert zu verfolgen, wie der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen wird. Doch genau das „Wie?“ wird nicht wirklich hinterfragt. Weite Strecken werden Archivaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg gegeben, doch die Zusammenhänge des Heute werden nur skizziert.

Auch wenn sie im Film kaum ausgewogen repräsentiert wird: Was die Seite der österreichischen Offiziellen so sehr fragwürdig macht, ist nicht die abweichende Meinung. Es ist der Umgang mit einer anormalen Vergangenheit als Normalität, in diesem Fall die rechtliche Absicherung des Kunstraubes durch nationalsozialistische Rechtsanwälte als selbstverständliches Glied in der Kette juristischer Argumentation. Der Übel machende Eindruck verbleibt, dass die gleichen positivistischen Argumente, welche in Deutschland die ?legale‘ Auflösung der Weimarer Republik ermöglichten, auch heute wirksam sein können. Um diesen Eindruck auszuräumen, gehört mehr dazu, als in Wiens Straßen Mahnmale aufzustellen.

Doch es bleibt bei dem Zweifel: Wessen Erbe ist Kunst?

Das Erbe des Künstlers Klimt bleibt auffällig unbeachtet – zählt also nur das entwendete Eigentum und nicht die Vergewaltigung des Werkes? Auf einer Pressekonferenz 2006 wurde die entscheidende Frage ausgesprochen: Warum werden die Bilder auf öffentlichen Auktionen versteigert? Auffällig hastig warf E. Randol Schoenberg ein, dass darüber noch keine Entscheidung getroffen wurde. Später noch einmal befragt, wandte Maria Altmann ein, dass immer der Wunsch bestand, diese Bilder und ihre Geschichte öffentlich zugänglich zu machen, und man hoffe, dass nach einer Versteigerung genau das passiert. Doch war das der Weg?

Zugegeben, die Wahl von Ronald S. Lauder war gut durchdacht und sicherte den Wunsch nach Dauerausstellung des Adele-Bildes ab. Der Kosmetik-Magnat hatte in New York die ?Neue Galerie‘ 2001 gegründet, mit einem Fokus auf deutsche und österreichische Kunst der Jahrhundertwende. Außerdem vereinbarte man bei letztendlichem Verkauf des Bildes eine Ausstellung der fünf Gemälde vom 13. Juli bis 18. September 2006. Wie auch immer, am 8. November kamen die vier anderen Kunstwerke bei Christie’s unter den Hammer und landeten bei anonymen Bietern. Der Eindruck, welcher bleibt, ist die Zustimmung zu einer Kunstwelt, in welcher Großkapital – wie philanthropisch auch immer – über den Wert von Kunst entscheidet, in der jede höhere Summe, jeder neue Rekordbetrag verwundertes Staunen und Schlagzeilen hervorruft, und nicht bitteres Kopfschütteln im Hinblick auf Millionen von Künstlern, die um kleine Stipendien kämpfen müssen, und in Anbetracht jährlich gesenkter Bildungsausgaben. Der Wunsch, Kunst der Öffentlichkeit offen zu halten, wird vom mangelhaft aufrechterhaltenen Kunstverstand nicht mehr verstanden. Von Kunst bleibt nur das Verständnis, wieviel sie kostet, denn das wird ihr Wert. Ihre besondere und eindringliche Geschichte bekommt ihren Stempel in Dollar.

Nirgendwo im Film wird deutlich die Frage gestellt, worum es daher letztendlich ging. Die Frage nach dem Warum dieses Nirgendwo wiederum gibt genug Stoff für einen weiteren Film.

Stealing Klimt

Regie: Martin Smith & Jane Chablani
Dokumentation
GB 2006 – 90 min.
Verleih: Stardust

Kinostart: 6. September 2007


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