Kontrastreich

Das MDR Sinfonieorchester spielt das erste Konzert „Zauber der Musik”

Wenn Kontraste tatsächlich die Aufmerksamkeit erhöhen, dann konnte sich Jun Märkl an diesem Abend höchster Konzentration seitens des Publikums gewiss sein – vereinte das Programm doch drei völlig unterschiedliche Werke miteinander, die überdies kaum gespielt werden und schon allein dadurch neugierig machten.

Manfred Trojahns Brahms-Porträt „… mit durchscheinender Melancholie“, entstanden im Brahms-Jahr 1997 (100. Todestag), nähert sich dem Komponisten Brahms nicht vordergründig über eine Vielzahl von Zitaten oder durch Kopieren des Personalstils, sondern auf einer eher persönlichen Ebene. Nach eigenem Bekunden ging es Trojahn darum, Brahms‘ Melancholie, seine Endzeitstimmung auszudrücken, die bereits auf den Ersten Weltkrieg voraus weise. Entsprechend dieser Absicht stammt das einzige Brahms-Zitat denn auch aus einem Lied, das schmerzlichen Verlust thematisiert. Trojahns verhaltenes, etwa 10-minütiges Tonstück evoziert jene melancholische Stimmung, die der Komponist bei Brahms auszumachen glaubt. Größere thematische Gebilde fehlen; das musikalische Geschehen wird von kleineren motivischen Fragmenten bestimmt. Jun Märkl und das MDR-Sinfonieorchester spielen präzise und nuanciert – am etwas unverbindlichen Eindruck der Komposition können sie allerdings nichts ändern. Der Applaus fällt entsprechend recht sparsam aus.

Über das Klavierkonzert der noch jugendlichen Clara Schumann sollte man nicht viel sagen, sondern zuhören und genießen. Es handelt sich um ein Virtuosenstück reinsten Wassers, das seinen Hauptreiz vor allem aus dem brillanten Passagenwerk der Solistin bezieht. Ewa Kupiec erweist sich als kongeniale Interpretin dieses äußerlich glänzenden, innerlich streckenweise etwas farblosen Konzerts, indem sie das artistische Element auskostet, ohne zu übertreiben, und vor allem wunderbar mit dem Orchester – und im zweiten Satz dem hervorragenden Solocello – harmoniert. Jun Märkl wiederum reagiert aufmerksam auf die Solistin und erweist sich als gefühlvoller und umsichtiger Begleiter. Das Orchester drängt sich nie in den Vordergrund, sondern hebt Frau Kupiec auf jenes Podest, das ihr in diesem Konzert gebührt. Dass die Solistin den erwartungsgemäß begeisterten Applaus mit Robert Schumanns allgegenwärtiger Träumerei belohnt, enttäuscht mich persönlich etwas, läge doch hier eines der reizvollen Klavierstücke von Clara näher.

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich kann mit Schönbergs Orchesterfassung von Brahms‘ Klavierquartett op. 25 nicht viel anfangen. Was im ersten und zweiten Satz noch angehen mag, entstellt im dritten und vor allem vierten Satz die ursprüngliche Komposition in bedenklicher Weise. Die heutige Aufführung trägt aber auch nicht eben dazu bei, etwaige Vorbehalte abzubauen – ganz im Gegenteil: Die Probleme erscheinen potenziert, die Schwächen werden schmerzhaft unterstrichen. Exemplarisch zeigt dies der Finalsatz: Anders als bei Brahms wirkt er hier nicht feurig, sondern träge, nicht energisch, sondern bombastisch und so weiter. Vor allem die massiven Forte-Stellen geraten Märkl zu einem fast schon in den Ohren schmerzenden Klangbrei ohne jeden Glanz, und die teilweise unglaublich langsamen Tempi lassen jegliche Struktur zerfallen. Das Orchester wirkt wie ein massiger Körper, der weder schnell agieren kann, noch zu differenzierten Gesten fähig ist. Wo er hintritt, wächst kein Gras mehr – und auch so manche Blüte des Brahmsschen Klavierquartetts wird ungewollt zertrampelt. Die Schuld liegt teils bei Schönberg, teils aber auch bei einem streckenweise sichtlich überforderten Orchester. Ein größerer Gegensatz als der zwischen Trojahns „durchscheinender Melancholie“ und Schönbergs/Mäkls Brahms-Getöse lässt sich kaum denken.

1. Konzert Zauber der Musik

Manfred Trojahn: „… mit durchscheinender Melancholie“ – Ein Brahms-Porträt für Orchester
Clara Schumann: Klavierkonzert a-Moll op. 7
Johannes Brahms / Arnold Schönberg: Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 (Orchesterfassung)
Klavier: Ewa Kupiec
MDR-Sinfonieorchester, Jun Märkl

9. September 2007; Gewandhaus, Großer Saal

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