Tage der Hoffnung

„Ein mutiger Weg”: Michael Winterbottoms Dokudrama über die Ermordung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl

Alles beginnt mit einem Abschied. Einem, wie wir ihn schon hundertmal in Filmen gesehen haben. Eine Frau steht an der Haustür, ihr Mann wirft sich schnell sein Jackett über den Arm, küsst sie kurz auf den Mund und ruft während er ins Taxi springt: „Bis später Schatz, ich bin heute Abend gegen 9 Uhr zurück.“ Und es ist nichts Besonderes an dieser Szene. Es könnte ein ganz normaler Tag im Leben eines Ehepaares sein. Aber wir wissen es, bevor der Film richtig angefangen hat. Wir wissen, dass der amerikanische Journalist Daniel Pearl nie wieder von seinem Interview zurückkehren wird. Und so trägt uns eine tragische Spannung durch den Film, bis zur letzten Minute.

Nach In This World und The Road to Guantamo bringt Michael Winterbottom ein weiteres politisches Dokudrama in die Kinos. Als Grundlage seines Films dient ihm das Buch der französischen Journalistin Mariane Pearl A mighty heart – the brave life and death of my husband Daniel Pearl, was sie nach der Ermordung ihres Mannes im Jahr 2002 schrieb. In Karatschi, Pakistan, wollte Pearl für das Wall Street Journal eine letzte Geschichte recherchieren. Dabei wurde er entführt und brutal ermordet. Ein Ereignis, das die Welt erschütterte.

Es sind die langen Tage einer ausweglosen Suche, die Winterbottom festhält. Es sind die Tage, in denen die Hoffnung als treibende Kraft die Dinge am Laufen hält. Als Daniel nach dem Abendessen nicht zurück ist, setzt Mariane alle Hebel in Bewegung, ihren verschwundenen Ehemann zu finden. Ihr Haus verwandelt sich in eine Schaltzentrale. Alle Informationen und Helfer laufen hier ein, um am Ende eine Struktur in das Puzzle der Spuren, Namen und Orte zu bringen, die die Täter ausfindig machen könnte. Mariane trägt den Schock gefasst. Ihre Tapferkeit, die nur durch kurze emotionale Ausbrüche unterbrochen wird, verleiht dem Film eine grundlegende Ruhe. Sie bildet das Gegenstück zur Brutalität der Ereignisse, zum hektischen Leben in Karatschi, zur politischen Brisanz der Situation.

Immer wieder führen Szenen in den Dschungel der größten Stadt Pakistans. Verstopfte Straßen, verdreckte Hinterhöfe, vermummte Frauen. Daniel ist mittendrin, als er sich mit einem Geistlichen mit Verbindungen zu islamistisch-militanten Gruppen treffen will. Zu der Zeit ein gewagter Schritt, auch wenn offizielle Stellen grünes Licht gegeben haben. Der 11. September liegt nicht lang zurück, die Panik vor terroristischen Angriffen ist allgegenwärtig. Pearl wirkt keineswegs unüberlegt, sondern souverän; doch die Lage in Pakistan ist unsicher, die meisten Journalisten haben das Land schon verlassen. Daniel bleibt und sucht weiter nach Informationen. Dass er Jude ist, verheimlicht er nicht.

Und wie so oft bei Journalisten in Krisengebieten handelt es sich hier um eine Gratwanderung zwischen dem Aufdecken der Wahrheit und dem Eintritt in eine andere Welt, in der die Gesetze von Demokratie und Pressefreiheit längst nicht mehr gelten. Kritischen Journalismus hinterfragt Winterbottom auch, als im amerikanischen Fernsehen der Tod Daniel Pearls verkündet wird, bevor dieser überhaupt festgestellt wurde. Es ist eben das Sensationelle, das die Medien am Leben hält, das Aufdecken jedes Stückchens Privatspähre – der offiziell geduldete Voyeurismus unserer Zeit. Die Geschichte selbst mag Teil dieses Mechanismus sein.

Medienwirksam ist vor allem auch Angelina Jolie als Mariane Pearl, deren großes Lächeln, trotz aller Dramatik, den Film dominiert. Ihr Mann Daniel wirkt neben ihr fast klein und glanzlos. An manchen Stellen wünscht man sich mehr Anonymität der Hauptdarstellerin, mehr emotionale Verbundenheit als visuelle Faszination. Dennoch ist es Winterbottom gelungen, hier einen ganz bestimmten Fokus zu setzen. Die Frau des Opfers steht im Mittelpunkt des Erzählten. Ungeachtet aller politischen Hintergründe und Zusammenhänge, die zum Teil nur schwammig und undurchsichtig zu Tage kommen, steht eine Ehefrau im Vordergrund, die ihren Mann verliert, die bis zum Ende auf seine Rückkehr hofft – eine stumme Liebesgeschichte mit brutalem Ende. Mariane Pearl macht ihre eigene persönliche Tragödie öffentlich. Und so kann alle Welt teilhaben am Leiden der Französin, die drei Monate später den gemeinsamen Sohn zur Welt bringt.

Und wieder hat Winterbottom Realität mit Fiktion vermischt, eine Mischung, die sich auch in seinen vorhergehenden Filmen schon bewährt hat. Er schafft es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Dramaturgie des Lebens festzuhalten, die Minuten wiederzuspiegeln, die alles verändern. Ja, es geht um die Tragik des Lebens inmitten einer fremden Welt. Auch wenn uns Winterbottom diese Welt nicht unmittelbar näher gebracht hat, so zeigt er zumindest, welche Auswirkungen sie haben kann.

Ein mutiger Weg (A mighty heart)

Regie: Michael Winterbottom
Nach einem Buch von Mariane Pearl
Darsteller: Angelina Jolie, Dan Futterman, Irfan Khan u.a.
USA & GB 2007 – 108 min.

Kinostart: 13. September 2007


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