Auf Spurensicherung in Indien: „Hippie Masala”
Sein wildes Haar wehte frei im Wind, der weiße Bart erinnerte an Weihnachten. Das Chillum gehörte genauso zu seiner Erscheinung wie der morgendliche, bei mir Schwindel erregende Yoga-Kopfstand. Sein Name: Rio. Der in Schweden aufgewachsene Matrose trampte zweimal in den 70er Jahren nach Indien, mit einer Freundin und ohne Geld in der Tasche. Um ganz frei von Besitz zu sein, ließen sie sogar ihre Schlafsäcke hinter sich, so erzählte er es mir zumindest.
Für die heutige Generation junger Leute kaum noch vorstellbar, für die Hippies in den 60er und 70er Jahren das Abenteuer ihres Lebens. Indien versprach grenzenlose Freiheit, Spiritualität, endlose Parties und Drogen ohne Ende. Millionen gingen, die meisten kehrten später in die Heimat zurück. Einer von ihnen war der Schweizer Dokumentarfilmer Ulrich Grossenbacher. Von der Idee des romantischen Aussteigertums in Indien fasziniert, versagte er sich keine der sich ihm dort bietenden Erfahrungen. Die Menschen die er dabei traf, Travellers, schon seit Jahren unterwegs und kein Bedürfnis mehr nach heimischer Ordnung, faszinierten ihn. Nach vielen Jahren ist er 2005 nach Indien zurückgekehrt, um zu sehen, was aus ihnen geworden ist, wie sie heute ihr Leben in der Ferne meistern. Zusammen mit der Ethnologin Damaris Luethi begab er sich auf Spurensicherung der aussterbenden 68er Generation. Portraitiert werden der Italiener Cesare, der als Yogi in einer Höhle lebt und nach spiritueller Befreiung strebt, sich dabei kaum mehr von den indischen Yogis unterscheidet, so sehr hat er sich in die Asketengemeinschaft integriert. Ähnlich bescheiden lebt die Belgische Meera im zentralindischen Hampi, auf der Suche nach innerer Freiheit nimmt sie nur Almosen von Reisenden, die sie bei einem Besuch im Gegenzug mit spirituellen Ratschlägen versorgt. Ganz anders der Schweizer Hanspeter, der sich Haus und Hof im Himalaya errichtete und in ständigem Konflikt mit seiner Frau und den Dorfbewohnern lebt. Eine glückliche Familie konnte sich der Holländische Kunstmaler Robert schaffen, der auch in Hampi seinen Zufluchtsort und Ruhe zum Malen fand. Die Südafrikanischen Zwillinge Erica und Gillian leben in Goa und schneidern Hippieklamotten für Goa-Trance-Freaks. So verschiedene Charaktere haben in Indien, dem Land der Gegensätze, ihr privates Paradies gefunden, wenn sich auch darüber streiten lässt, wie legitim sie dies tun. 20 Jahre lang illegal im Land zu leben oder den Einheimischen nicht mit dem nötigen Respekt und Verständnis entgegen zu kommen sind nicht gerade förderlich für ein friedliches Miteinander.
Im August fliege ich selbst nach Indien, um in Bangalore Waisenkindern Englisch Unterricht zu geben. Der Film war eine gute Einstimmung auf meine Reise und ist wirklich sehenswert!
Hippie Masala – Für immer in Indien
Dokumentation
Regie: Ulrich Grossenbacher, Damaris Luethie
CH 2006 – 93 min.
Kinostart: 30. August 2007
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