Dekonstruktion oder plattes „Post”-Gehabe?

Von Spar stellen ihr neues Album im Conne Island vor und verwirren das Publikum

Von Spar stellten ihr neues Album vor und damit das Publikum vor eine Menge Fragen. Schon die Veröffentlichung des Albums, welches lediglich aus den zwei circa 20minütigen Tracks „Xaxapoya“ und „Dead voices in the temple of error“ besteht, verwirrte. Die Post-Punk-Agit-Pop-Hype-Band schien genau diesem Ade gesagt zu haben. Keine Parolen mehr, keine Wut, keine Aggression. Trotzdem kann man nicht von einer totalen Abkehr von den eigenen Wurzeln sprechen. Oder doch? Anknüpfende Momente wie Von-Spar-„typische“ Basslinien, Riffs und Beats sind zwar auszumachen, aber das, was den Hype um die Band ausmachte, fehlt: Der Sänger Thomas Mamoud scheint seit Sommer 2007 nicht mehr dabei zu sein.

So richtig fällt diese Tatsache erst auf dem Konzert ins Gewicht. Unbestritten sind die vier Musiker sehr gut, voller Energie und sie schaffen es, eine adäquate Atmosphäre zu schaffen. Zu Beginn laufen auf den Bühnenhintergrund projizierte Filme, die die beinahe spirituelle „Trommelmusik“ noch stärker meditativ einfärben. Die langen, sich entwickelnden Tracks reißen nicht mit, aber sie fesseln. Auf gewisse Weise ist das unglaublich hochwertig. Aber es ist eben nicht das, was man erwartet hat: aggressiver Electro-Post-Punk, oder wie die Mediengruppe Telekommander es einst sang: „Ihr wollt Konsumkritik, doch die kriegt ihr nicht.“ Das trifft auf diesen Abend erschreckend offensichtlich zu. Als während des Konzerts diese Erkenntnis sich Bahn bricht, folgt auf die Enttäuschung die alte, tausendmal gefragte und nie beantwortete Frage nach dem, was „Punk“ ist: Form oder Inhalt. Ist nicht die Verweigerung von Aussagen – vor allem allseits erwarteter – ein rebellischer Gestus? Ist der Entzug des Bekannten und der damit verbundene Abfuck des Rezipienten nicht klassischer Punkhabitus? Damit wäre Von Spar mit ihrem neuen Auftritt sich selbst also doch treu geblieben.

Mach keine Aussagen! Zerstöre Selbstgefälligkeit durch Schweigen!
Aber die Wirkung, die dieses Neue, diese Wandlung hervorruft, ist wiederum auf zwei verschiedene Arten fragwürdig: Zum Ersten führt diese Art der Aussagenverweigerung zu einer Art Stille. Was bleibt ohne die mit Von Spar assoziierte aggressiv abkotzende Parolenschreierei jenseits von Weltverbesserungsvorschlägen ist „nur“ eine einnehmende, nicht im Geringsten angreifende und damit auch nicht angreifbare Musik, die sich hochgradig selbst genügt.

Zum Zweiten führt diese neue Harmlosigkeit zu einer gewissen Einigung in den Diskussionen, die noch bis vor kurzem geführt wurden, wenn Von Spar-Sympathisanten auf Von-Spar-Hasser trafen. Diese Band hat tatsächlich polarisiert, und zwar in Bezug auf die Frage nach ihrer Authentizität und der Ernsthaftigkeit ihrer Posen und ihrer Gesellschaftskritik, beziehungsweise Zeitgeistkritik. Der Hass oder die Sympathie machten sich daran fest, ob man ihnen ihre Verachtung glaubte oder sie als ebenfalls schrecklich zeitgeistliche Plattitüde von sich wies. Genauso unterhaltend wie grundsätzlich waren diese Diskussionen über den so hassgeliebten Indiepop.

Von Spar haben mit ihrer neuen Identität diesen Diskurs zum Erliegen gebracht. Die Fragen, die ihr Schweigen und ihre Konzentration auf die Musik aufwerfen, prallen an der Bühne ab und knallen dem Fragenden hart ins eigene Gesicht: Ist man wieder nur hereingefallen auf die postmodernen Parolen gegen die Parolen? Ist man in die Falle getappt, als man sich mit etwas identifizierte, was man als eine Postpunkaussage so einfach bejahen konnte? Muss man sich eingestehen, doch nicht über der Verachtung zu stehen, mit der der Sänger früher so herrlich das Publikum strafte? Hat man diese Verachtung vielleicht tatsächlich verdient, weil man sie so cool fand?

Zugegebenermaßen dekonstruieren die neuen Von Spar damit die Selbstgefälligkeit, die jeder Kritik und jeder Verachtung innewohnt und die so verdammt leicht fällt, wenn man sich anders, zum Beispiel „Indie“, fühlt. Schön wäre es, wenn darüber genauso diskutiert werden würde wie über die frühere Parole: „Ist das noch populär?“

Von Spar

18. Oktober 2007, Conne Island

www.vonspar.net

Ein Kommentar anzeigen

  1. 22. Oktober 2007

    Holladiho, was für ein geiles Stück Musikjournalismus. Frau Paluch, unbekannterweise meine Hochachtung – es war mir eine Freude, den Artikel zu lesen (und das passiert selten, wenn es um Mugge geht).

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