Diffus und unzeitgemäß: Marc Meyers „Wir sagen du! Schatz.”
Die Idee ist nicht neu, aber gut: Man sperre ein paar auf den ersten Blick total verschieden geartete Menschen in eine Black Box und beobachte sie dabei, wie sie sich miteinander ver- und entwickeln. Das Experiment lautet: glückliche Familie. Der Ausführende (Samuel Finzi) klaubt sich die Probanden einfach zusammen und mauert sie in einen verwaisten Plattenbau ein.
Da gibt es Margot Nagel als leicht divenhafte Rentnerin, die um ihre Daseinsberechtigung ringt und für die die Rolle der Oma vorgesehen ist. Nina Kronjäger als Ehefrau eines erfolgreichen Mannes, der man das vorgebliche Glück kaum glauben kann, und die von nun an „Mutti“ heißt. Ein Baby aus der Babyklappe, ein Junge mit Stauballergie, der seine alkoholkranke Mutter nicht vermisst. Eine Punkerin, gespielt von Anna Maria Mühe, gesellt sich dazu. Als sie bemerkt, dass sie der Wohnung nicht entkommen kann, bearbeitet sie mit dem Hammer eine Wand so lange, bis sie in die Nachbarwohnung durchbricht. Dort hält sich ein alter Kommunist verschanzt und war bis zu diesem Zeitpunkt mit sich und der Welt eigentlich ganz glücklich.
Ein Kampfhund namens Seelchen komplettiert das Ganze. Eine illustre Gesellschaft, möchte man meinen, allen voran, der seelenruhig planende, offensichtlich aber höchst gestörte „Papa“. Er sorgt für die Bedürfnisse aller und meint es gut mit denen, die ihn schon noch lieben werden, wenn er sie nur gut bekocht und mit Sicherheit umsorgt. Unter seiner Führung, die man mindestens als autoritär bezeichnen kann, soll ein demokratisches Zusammensein entstehen, nach Grundregeln, die natürlich er aufgestellt hat – aus der politischen Geschichte weiß man schon, dass Demokratie auf diese Weise selten gelingt.
Dem Film geht es leider wie seinem Protagonisten: Obwohl er alles brillant durchdacht hat und Liebe fürs Detail beweist, will sich die Liebe, derentwillen er alles inszeniert, nicht einstellen. Zwar gibt es Phasen, in denen man denken kann, den zum Glück gezwungenen Familienteilnehmern geht es in ihrer Psycho-Haft besser als in der alten Realität, aber am Ende nutzen sie ihre Freiheit nur um sich in alle Welt zu zerstreuen.
Als Interpretationshilfen, derer es bedarf, werden dem Zuschauer zwei Hinweise ins Bild gereicht: der Schriftzug (Neues?) Deutschland auf einem abrissbereiten Gebäude und Der Mythos des Sisyphos als Buch von Camus. Eindeutig ist dieser Film philosophisch, nur ist die Botschaft ein wenig diffus geraten. Destruktion gesellschaftlicher Werte zum Beispiel der Familie als einziges Lebensideal, das mag von Zeit zu Zeit notwendig sein, um zu sehen, welchen Kern die Zwiebel trägt? Ein Abgesang auf utopische Systeme? Dafür kommt der Film ein paar Jahre zu spät. Und etwas mehr Augenzwinkern wäre schon von Nöten, wenn man (menschlicher Weise) keinen funktionierenden Gegenentwurf parat hält.
Womöglich ein guter Film, der in die falsche Zeit fällt. Auf jeden Fall kann er deprimierend wirken, wenn man das Kino bei Sonnenschein betreten hat.
Wir sagen du! Schatz.
R: Marc Meyer
Mit: Samuel Finzi, Nina Kronjäger, Anna Maria Mühe, Harald Warmbrunn, Margot Nagel u.a.
DE 2007 – 97 min
Verleih: Zorro Film
Kinostart: 15. November 2007
www.wirsagenduschatz.de
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