Holzschlachten. Ein Stück Arbeit
Idee & Konzept: Josef Bierbichler
Gastspiel der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin
Schauspiel Leipzig, Schauspielhaus
2. November 2007
Gastspiel: Josef Bierbichlers Holzschlachten
Erst einmal ist diese Stimme einfach unglaublich präsent. Josef Bierbichler spricht körperlich, ohne Gestikulation, jedoch gestisch. Er sitzt allein auf der Bühne des Schauspiels Leipzig, welches sein Gastspiel Holzschlachten. Ein Stück Arbeit präsentiert. Die Differenz zwischen dem menschengesättigten Zuschauerraum und dieser einzelnen Gestalt auf der Bühne, leicht am Rand im Halbdunkel befindlich, ist bedrückend. Bierbichlers Gesten wirken ruhig, nachdenklich. Ohne ironische Distanz spricht er den Text doch beinahe nach, als nehme er ein Echolot vor, als überprüfe er das dünne Eis, auf welchem er spricht.
Der Text seiner „Arbeit“, für welche er gleichzeitig als Schauspieler und Regisseur verantwortlich zeichnet, fordert dieses Sprechen geradezu heraus: Es handelt sich um die Interviewantworten des KZ-Arztes Hans Münch. Da erweist sich das Reinhorchen, Reinrufen in den Text als geradezu notwendig, denn dieser ist besonders in seinen unglaubwürdigen Passagen, in seinen Windungen und Verschiebungen so etwas wie ein Dokument. Bierbichler stellt diesen Text vor, und das ist viel. Und er weist auf die Lücken im Text, trotz aller Psychologisierungen, die sich einschleichen.
Dann erfolgt ein Wechsel. Eine Videoprojektion zeigt eine Fahrt in den Wald, Bierbichler beginnt Holz zu hacken, entwickelt am Funkgerät ein paranoides Gewissens- und Bedrohungsszenario. Diese zweite Hälfte fällt im Vergleich zur ersten merklich ab: Trotz des physischen Holzhackens entert Symbolismus die Inszenierung. Das wirkt ambitioniert und hinterlässt einen kitschigen Eindruck, der sehr wohl vielleicht gewollt und angebracht, dennoch nicht auf der Szene verhandelt wird. Wenn die beiden Teile zusammen geführt werden, wird dieser Gang von der zeigenden Stimme über die Psychologie, hin zum Symbolischen, offensichtlich.
Und doch wird der Abend nicht belanglos, erinnert das Gastspiel in einer letzten Bewegung daran, was möglich sein kann, wenn ein Schauspieler auf der Bühne, vor unseren Augen und Ohren, einem Text der (Nicht-)Erinnerung an Auschwitz nachgeht.
(Michael Wehren)
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