Neulich im Auenwald

Die Parthe fristet im Stadtgebiet das trostloseste Dasein ihres gesamten Verlaufs

Auf unsere Aue können wir stolz sein: Geprägt durch eine Vielzahl von Gewässern siedelten sich hier in ungeheurer Vielfalt Pflanzen und Tieren an. Der fruchtbare Boden war auch für den Menschen attraktiv, welcher in der Aue fischte und jagte, Mühlen baute, Leder gerbte und die Wasserwege zur Flösserei nutzte. Durch den Menschen wurden nicht nur die Gewässer verändert, umgeleitet oder zugebuddelt, sondern auch Flora und Fauna verändert. Hinzu kommt, dass es seit über 50 Jahren keine großflächige Überschwemmung mehr gab und viele Teile der Aue austrockneten, was Arten vertrieb, die Wasser oder Feuchtigkeit mögen. An dieser Stelle werden schlaglichtartig Geschichten um den Auenwald zusammengetragen, Bächlein und Flüsse, Schutzgebiete, Biotope und seltene Arten vorgestellt sowie tausende Jahre Historie aufgearbeitet. Heute gibt es einige Aspekte der „Stinkenden“ – Die Parthe.

Ungeliebt und beschimpft fristete sie jahrzehntelang ein kümmerliches, stinkendes Dasein. Dabei konnte sie nun wirklich nichts für die Abwässer aus Haushalten, Gerberei und Baumwollspinnerei, mit denen sie belastet wurde, und wie zur Belohnung für die Last sind die meisten Teile ihrer Auen heute Landschaftsschutzgebiete, auch in Leipzig.

Einst floss sie durch den Brühl, erfuhr aber im Laufe der Jahrhunderte, vor allem durch den Bau des Hauptbahnhofs, erhebliche Begradigungen und Veränderungen ihres früher mäandrierenden Laufes. Durch den zunehmenden Bahnverkehr und Gleisausbau starb auch das fröhliche Badeleben, das durch die Parthe ermöglicht wurde, in alten Dokumenten übrigens „Barde“ geschrieben. Unter der Stadt findet sich immer noch ein starker Grundwasserstrom, der vor manches Bauvorhaben in der nördlichen Innenstadt die Pumpen setzt.

In Teilen der Parthenaue, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, konnten Lebensräume für viele Arten entstehen und interessante Biotope geschaffen werden, wie etwa die Feuchte Hochstaudenflur bei Mockau und Naturbad Nord-Ost. Hinter der Eisenbahnbrücke kann man mit etwas Geduld und in der richtigen Jahreszeit, wenn die Blumen blühen, den Ameisenbläuling dabei beobachten, wie er vom Großen Wiesenkopf nascht. Dass diese Pflanze sich wieder angesiedelt hat, ist der Grund dafür, dass der gefährdete Schmetterling hier öfter vorbeikommt, denn was die Nahrung angeht, ist er äußerst eingeschränkt. Manche würden von lebensbedrohlicher Ignoranz reden, BiologInnen nennen es hochspezialisiert und meinen damit die Tatsache, dass der Ameisenbläuling sich den Wiesenkopf zur Futterpflanze auserkoren hat. Natürlich ist er aber bei weitem nicht der einzige Schmetterling, der sich hier tummelt und Vögel wie den Rohrammer und den Schilfrohrsänger anzieht.

In Mockau strebt die etwa 120.000 Jahre alte Parthe in ihrem 57 km langen Verlauf schon beinahe ihrem Ende entgegen. Nur noch ein paar Stadtteile fehlen, u.a. die Nordvorstadt, in der sie dank Begradigungen ganz schön lächerlich aussieht, bis sie im Rosental die Weiße Elster speist. Während man im Jahr 1668 nach einem Hochwasser angeblich noch Fische und Krebse von den Bäumen pflücken konnte, ist das heute nicht anzuraten: Der Nitritgehalt des Wassers ist nicht gut für Schleie, Aal und Mensch. Zwar wird die Wasserqualität zunehmend besser, von einer vollständigen Revitalisierung ist die einstige Lebensader der Stadt Leipzig jedoch noch weit entfernt.

Zu den anderen Auenwaldkolumnen:

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Die Brücken

03.04.2008
Frühling lässt sein buntes Band

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