Absurde Leckerbissen: Franziska Merkels „Das Menü” (Anica Klingler-Mandig)

Das Menü
Lindenfels Westflügel
Regie & Ausstattung: Franziska Merkel
Spiel: Heiko Kland, Franziska Merkel, Jenny Rotsch, Saskia Strengele & Stefan Wenzel
Live-Musik: Franziska Wittgrebe & Ina Zinke
Premiere: 15. Dezember 2007
www.westfluegel.de


Absurde Leckerbissen: Franziska Merkels Das Menü

Ein wahrer Genuss ist dieses sinnliche Spektakel von Franziska Merkel. Bratenduft und die herrschaftlich gedeckte Tafel betören den Zuschauer schon beim Betreten des Theatersaals. Doch dies ist kein gewöhnliches Gastmahl: Hier ist alles auf phantasievolle, freche und komische Weise verschoben und verdreht.

Weit und breit ist kein einziger Gast zu sehen, denn die eigentliche Gesellschaft hat unter dem Tisch Platz genommen. Von dort her strömt die Geräuschkulisse – eine Mischung aus Gesprächsfetzen, Tellerklappern, verhaltenem Lachen und Lauten zutiefst menschlicher Bedürfnisse – zu den Zuschauern. Die Bedienstete erstarrt vor Schreck und lässt schreiend ein silbernes Tablett nach dem anderen fallen. Merkwürdige Dinge geschehen unter der Tafel. Da wird das Dienstmädchen in die Länge gezogen und geklont. Original und Double – wer vermag das noch zu unterscheiden – liefern sich bald eine Schlacht mit dampfenden Klößen. Auf dem Tisch erscheint eine Ballerina, die sich grazil zwischen den unzähligen Kerzenleuchtern, Bechern, Gläsern und Schüsseln bewegt. Doch die schöne Konvention hält nicht lange an. Genüsslich stößt sie mit zarten und doch präzisen Fußbewegungen die Gegenstände vom Tisch. Und wozu sollte sie auf eine Belohnung für diesen Auftritt warten, wenn dort auf dem Tisch dieser wunderschöne Blumenstrauß steht?

Schließlich erheben sich aus den Tiefen der Festtafel noch zwei skurrile Gäste: Zwillingshafte Gestalten mit froschgrünen Gesichtern und Strumpfhosen, die dumpf und lang gezogen immer wieder die Worte „hello“ und „goodby“ artikulieren. Sie bringen das Fass buchstäblich zum Überlaufen. Schenken sie den edlen Tropfen zunächst noch dezent ein, so schäumt und spritzt es bald auf dem ganzen Tisch. Die anfängliche Ordnung wird aufgebrochen und das Gastmahl wird zum Exzess getrieben. Die gesittete Tischordnung gerät zu einem lustvoll inszenierten Akt der Dekonstruktion.

Wie schon das von der Künstlerin im Westflügel aufgeführte Stück Sugar ist Das Menü ein Fest der Sinne. Akkordeon und Klarinette bilden die musikalische Kulisse für die verspielten szenischen Miniaturen, die die Akteure mit nahezu tänzerischen Bewegungen vorstellen. Auf der Bühne entfaltet sich ein gleichermaßen kulinarisches wie skurriles Universum, das den Zuschauer durch seine Originalität überrascht und ergreift. Dieser Leckerbissen macht Appetit auf mehr.

(Anica Klingler-Mandig)

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