Ägypter in einer Scheißgegend Israels

Weder Fronten, noch Klischees: „Die Band von nebenan”

Acht Männer in babyblauen Uniformen stehen in einem Flughafen wie bestellt und nicht abgeholt. Und genau das ist auch der Fall. Diese acht Herren verschiedenster Altersklassen verbindet hauptsächlich, dass sie alle Mitglieder eines Polizeiorchesters aus Alexandria sind. Und nun stehen sie in Israel und versuchen sich mit ihren Englischkenntnissen allein durchzuschlagen, bis zu diesem Ort, wo sie zur Eröffnung eines arabischen Kulturzentrums spielen sollen. Das jüngste Mitglied des Orchesters, Khaled (Saleh Bakri), flirtet allerdings lieber mit der Dame am Schalter als gewissenhaft Informationen zur Reiseroute einzuholen und so landen alle zusammen statt in Petah Tikva in Bet Hatikva. Dieser „andere“ Ort liegt in der Wüste und die erste Auskunft lautet: „Gibt kein arabisches Zentrum hier. Keine Kultur, keine israelische Kultur, keine arabische, gar keine Kultur. Scheißgegend.“

Natürlich gibt es auch keine Hotels. Keinen nächsten Bus. Nichts eben. Also organisiert die patente Imbissbudenbetreiberin Dina (Ronit Elkabetz) Unterkünfte. Drei im Imbiss, drei bei einem Stammgast, zwei in ihrem Gästezimmer, schon sind alle Ägypter versorgt. Es folgt eine Nacht der Auseinandersetzung, des Kennenlernens, des Austauschs. Mal feindselig, mal freundschaftlich, stellenweise sogar mehr als das. Aber es ist eben kein „Clash of civilizations“-Movie, sondern eher eines von Nachbarn, die sich nicht so gut kennen. Das Bild vom Sechs-Tage-Krieg wird mit der Mütze zugehängt und man kommt zum Wesentlichen: Was sind das für Leute? Hier gibt es weder Fronten, noch Klischees, sondern Erzählungen von Liebe und Einsamkeit, Leidenschaft und Versagen. Aber weder wird hier jemand beim Therapeuten auf die Couch gelegt, noch werden schale Befindlichkeiten ausgetauscht. Es treffen sich eben verschiedene Leute und versuchen, miteinander zu reden.

Bemerkenswert in diesem Film sind die Gesten. Einerseits die Gesten, die mit den Händen gemacht werden, teilweise von der Kamera fokussiert, aber oft auch nur beiläufig irgendwo im Bild. Hände sprechen in diesem Film von Würde und von Scham, von Zuneigung und – wenn sie still bleiben – von Misstrauen und Abneigung. Und daneben die menschlichen Gesten, die von den Händen begleitet werden. In einer Region, die aus europäischer Perspektive überwiegend als problematisch, hochpolitisch und in jeder geringsten Äußerung sensibel erlebt wird, gelingt diesem Film das Kunststück, etwas Außeralltägliches mit alltäglicher Gelassenheit zu erzählen. Während sich die Ägypter, beziehungsweise eigentlich nur deren „General(-musikdirektor)“ Tewfiq Zakaria (beeindruckend: Sasson Gabai), noch irgendwie als Botschafter ihres Landes verstehen, ist auf israelischer Seite keinerlei diplomatisches Sendungsbewusstsein vorhanden. In einer Plattenbausiedlung in der Wüste wäre dergleichen auch fehl am Platz. So eröffnet dieser Film ganz undramatisch und vielleicht sogar unbewusst einen Horizont auf einen menschlichen Umgang miteinander, untheoretisch oder utopisch, sondern ganz pragmatisch. In einer glaubwürdigen Filmsprache stehen so Ernst und Melancholie neben sehr viel Witz und Lebensmut. Eine gute Gelegenheit, sich den Nahen Osten im Kino mit Lachen statt mit sorgengerunzelter Stirn anzuschauen.

Die Band von nebenan

Regie: Eran Kolirin
mit: Sasson Gabai, Ronit Elkabetz, Saleh Bakri, Khalifa Natour, u.a.
IL/F 2007 – 88 min.
Verleih: Concorde Film

Kinostart: 31. Januar 2008


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