Sechs Tanzstunden in sechs Wochen
Schauspiel Leipzig, Garderobenfoyer
Inszenierung: Thorsten Duit
Ausstattung & Choreographie: Michael S. Kraus
Mit: Barbara Trommer & Tobias J. Lehmann
Premiere: 24. Oktober 2007
www.schauspiel-leipzig.de
Tanzen bis das Zwerchfell juckt
Was machen, wenn man eine Ewigkeit auf der Bühne stand, und dann, pensioniert und nicht mehr die Gesündeste, die 70 überschritten hat? Lily Winter (Barbara Trommer) entscheidet sich für Sechs Tanzstunden in sechs Wochen und fängt sich dabei den Tanzlehrer Michael (Tobias J. Lehmann) ein, der weit davon entfernt ist, ein Gentleman der alten Schule zu sein. Der ehemalige Revuetänzer leistet sich mit seinen witzigen Bemerkungen einen Fauxpas nach dem anderen, schafft es aber mit Dreistigkeit, Lügen und auch viel Humor, dass die alte Dame ihn immer wieder zu sich bestellt. Mit der Zeit wird er nicht nur tatsächlich zum Gentleman, es entwickelt sich auch eine Freundschaft zwischen den beiden lebensermüdeten Aussenseitern, die wechselseitig Kraft zum Weitermachen gibt.
Richard Alfieris gutgebautes Zweipersonenstück überzeugt durch die geschliffenen Dialoge und den herrlichen Wortwitz. Die Handlungentwicklung ist allerdings trotz überraschender Wendepunkte meist vorhersehbar. Pluspunkt: Es kommt nicht zu einer Liebesgeschichte ? la Harold und Maude, was so unoriginell wie kitschig wäre. Michael ist schwul und somit kann sich die Geschichte auf andere tragikomische Situationen als die Liebe zwischen Alt und Jung konzentrieren.
Regisseur Thorsten Duit hält sich mit Regieeinfällen zurück und lässt das Stück sein, was es ist: Boulevardkomödie mit tragischen Untertönen. Vor allem, wenn letztere anklingen, bekommt die Inszenierung Größe, und Lehmann zeigt, dass sein Michael nicht nur ein Kasper ist. An einigen Stellen trägt er doch zu fett auf und gibt der Figur neben Trommers durchgängig authentischer Lily etwas unglaubwürdiges. Insgesamt aber bestechen beide Darsteller durch ein hervorragendes Zusammenspiel und begeistern allein schon durch die Umsetzung der von Michael S. Kraus großartig choreografierten Tanznummern. Kein Wunder, dass nach beinahe jedem Hüftenschwingen Zwischenapplaus erfolgt.
Wer sich einfach mal erholen will vom akademischen und bedeutungsschweren Theater, dem sei der Besuch der Sechs Tanzstunden in sechs Wochen wärmstens empfohlen. Repliken wie „Schreien Sie nicht so. – Das gilt auch für ihr Hemd!“ oder „Ich bin nicht verrückt, ich bin Berliner“ kitzeln ebenso das Zwerchfell wie die urkomischen Nummern und Rollen, die Michael zur Begrüßung gekonnt abzieht: von Jack the Ripper über Teppichhändler Abdul bis zum wienernden Falco-Verschnitt. Und dennoch kommen die rührenden Momente nicht zu kurz, wenn die Protagonisten sich die traurigen Episoden ihres Lebens erzählen. Allerdings ist nicht alles Wahrheit und mitunter ist das Spiel um Lüge und Wahrheit verwirrend.
Und das besondere Extra: Gespielt und getanzt wird im Garderobenfoyer. Die Zuschauenden sitzen auf der Treppe. Das erzeugt eine tolle Atmosphäre, bedeutet aber auch, dass die Vorstellungen bei dem begrenzten Platz schnell ausverkauft sind…
(Janna Kagerer)
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