DDR-Punk als Installation

Die Ausstellung „Too much future“ im Stadtmuseum Halle beleuchtet die Punk-Szene der DDR

Wenn Punk und Museum zusammen kommen, ist das zumeist eine schwierige Allianz. Denn wie kann man eine der am stärksten das System ablehnende Jugendbewegung in die musealisierenden Schranken des Ausstellungsortes weisen, ohne das zu zerstören, was sie im Kern ausmacht: ihren alles durchdringenden Geist der Totalverweigerung. Die beiden (Ost-)Berliner Altpunks Michael „Pankow“ Boehlke und Henryk Gericke haben sich dieses Problems angenommen und mit dem Film Ostpunk, zahlreichen Publikationen und ihren Ausstellungen in Berlin (2005), Dresden (2006) und jetzt in Halle gezeigt, dass es vor allen Dingen eines authentischen Zugangs bedarf. Anstatt ein Heer von Historikern, Soziologen und Jugendforschern an „ihre“ Zeit zu lassen, gestalten sie ihr Erbe nach dem Motto „Do it Yourself“ selbst. Während der West-Punk mittlerweile im Pantheon der deutschen Popkultur angekommen ist, fällt sein Pendant im real-sozialistischen Teil Deutschlands Anfang der 1980er oft unter den Tisch. Hier setzt die Arbeit der beiden Kuratoren an. Gericke schreibt in seinem einleitenden Text zum Katalog, dass die Wirkung der Punks nur mit der Landung von Außerirdischen zu vergleichen gewesen wäre. Aber wie präsentiert man Außerirdische im Museum, das ja immer von dieser Welt ist?

Das Stadtmuseum Halle hat dafür einen kongenialen Ort zur Verfügung gestellt: das Stockwerk einer alten Druckerei, das nach der Zurichtung durch die Ausstellungskuratoren wie der Ausgangspunkt einer wilden Party wirkt. Von großen Schwarz-Weiß-Bildern blicken Jugendliche in Turnschuhen und zerfetzen Klamotten in den Raum. Drei Plattenspieler dudeln im Loop immer wieder die gleichen Stückfetzen: Kakophonie. In der Mitte sechs aufgerissene Aktenschränke, aus denen Papier quillt. Papier, das den eklatanten Ost-West-Unterschied zwischen den Punk-Bewegten zeigt, denn es handelt sich dabei um Kopien von Unterlagen der Staatssicherheit, welche die anders eingestellten Jugendlichen sehr schnell in den Fokus genommen hatte. Liedtexte, Verhörprotokolle oder allgemeine Lageeinschätzungen: Wer hier sucht, wird fündig. Als Ironie der Geschichte dürften diese Unterlagen noch eine Menge Stoff für zukünftige Historiker liefern, denn 1984 gelang dem Staat dann auch der große Schlag: Mittels Einberufungsbescheiden, Verhaftungen und erzwungenen Ausreisen zerschlugen sie den Kern der ersten Generation, der freilich viele weitere folgen sollten. Zuvor hatte die Stasi die Szene mit informellen Mitarbeitern infilitriert, wie am Beispiel des Gitarristen „Ima“ Abdul Jamid der Gruppe L’Attentat aus Leipzig dokumentiert ist.

Erst ein Studium des Katalogs klärt aber über solche verbindenden Details auf, die in der Ausstellung nur schlaglichtartig auftauchen. Und auch wer explizit etwas über die Hallenser Szene erfahren will, wird auf ein Büchlein verwiesen, das zur Ausstellung erschienen ist. In Von Wutanfall bis Müllstation (Rezension) nehmen sich der Kulturhistoriker Bernd Lindner und Erste-Stunde-Punk Mark M. Westhusen die Verhältnisse in der Saalestadt vor. Ob das erste Punkfestival der DDR am 30. April 1983 in der Hallenser Christuskirche oder die zahlreichen Besetzungen von Abbruchhäusern – es findet hier und nicht in der Ausstellung ihre Würdigung.

Die Ausstellung funktioniert eher als Punk-Installation, die den Geist der Zeit über verschiedene Medien wieder ablaufen lässt, aber ansonsten in keiner Weise historisch oder gar historisierend sein will. Die Nähe zu Künstlern und Kirche wird beleuchtet und bizarre Kurzfilmchen werden gezeigt. Selbst die Tatsache, dass Punk der Wegbereiter für die rechtsradikale Skinhead-Szene war, die sich beide nach kurzer Zeit in gegenseitigem Hass verbunden waren, der am 17. Oktober 1987 in dem Angriff der Rechten auf die Berliner Zionskirche mündete, findet seinen Platz – in den ehemaligen Sanitärräumen der Fabriketage. Zu wenig Raum aber widmen die Ausstellungsmacher dem gerade für den Punk so wichtigen Moment der Musik. Zwar wird mittels einer Installation die Bedeutung der Kassetten-Kultur dargestellt, ohne aber die Möglichkeit zu gewähren, Musik jener Zeit zu hören. Auch das mit zwei CDs bestückte Buch Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979 – 1990 kann da nur bedingt weiterhelfen, da es sich vor allen mit der Entwicklung der elektro-experimentellen Szene ab Mitte der 1980er beschäftigt. Wenigstens ein paar wenige, wenn auch sicherlich aufgrund der technischen Möglichkeiten miserabel aufgenomme Stücke der 1980er Punks wären hier wünschenswert gewesen.

Heute sind die Außerirdischen von damals in der Gesellschaft auf die eine oder andere Art angekommen. Oppositionelle Haltungen werden produktiv genutzt. Sie haben irgendwie ihren Weg gemacht und ihren Beitrag zur (sub-)kulturellen Bereicherung zweier deutschen Staaten geleistet. Mal sehen, was man da in 25 Jahren von den jugendlichen Subkulturen von heute sagen kann.
Ausstellung Too much future. Punks in der DDR 1979-89
Stadtmuseum Halle
19. Januar bis 30. März 2008
www.toomuchfuture.de
Buchhinweise:
Michael Boehlke & Henryk Gerike: Too much future. Punk in der DDR, Berlin 2007, Verbrecher Verlag, 224 Seiten
Bernd Lindner & Mark M. Westhusen: Von Müllstation zu Größenwahn. Punk in der Hallenschen Provinz, Halle 2007, Hasen-Edition Halle, 100 Seiten
Alexander Pehelmann & Ronaldo Galenza: Spannung.Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979 – 1990, Berlin 2006, Verbrecher Verlag/ZickZack, 192 Seiten und 2 CDs

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