The Nomi Opera?

Das Festival für aktuelle Musik „MaerzMusik“ ist wie jedes Jahr im Haus der Berliner Festspiele

MaerzMusik trägt nicht zu Unrecht den Untertitel „Festival für aktuelle Musik“. Jedes Jahr Anfang März gibt es ein breites Spektrum von unterschiedlichsten Klangerlebnissen rund um das Haus der Berliner Festspiele. Die Fülle des Angebots macht aus Leipziger Sicht richtig neidisch, zumal wenn man bedenkt, dass erst im Januar beim Festival Überschall auch mehrere Tage Zeitgenössiges von hochkarätigen Ensembles zu hören war.
Olga Neuwirths Faszination am Phänomen Klaus Nomi reicht nach eigenen Aussagen bis in ihr zwölftes Lebensjahr zurück. 1998 stellte sie bei den Salzburger Festspielen erstmals einen Liederzyklus aus vier Nomi-Songs vor. Mit der Uraufführung von Hommage ? Klaus Nomi versucht sie ihre Auseinandersetzung mit der einmaligen Künstlerpersönlichkeit zu einem Abschluss zu bringen. Sie erweiterte den vorhandenen Zyklus auf insgesamt neun Lieder und richtet das Ganze als Songplay für einen Countertenor und einen Schauspieler ein, das Libretto stammt von Thomas Jonigk.

Klaus Nomi wurde 1944 in Bayern unter dem Namen Klaus Sperber geboren. Als Zwölfjähriger begeisterte er sich für Rock’n’Roll, nahm später klassischen Gesangsunterricht und fing an, in Opernhäusern als Platzanweiser und Komparse zu arbeiten, bis er schließlich in Bern das erste Mal eine Opernrolle sang. Neben der Fokussierung auf die Klassik interessierten ihn aber auch immer die neuesten und schrägsten Entwicklungen im Bereich der U-Musik, eine seltene Kombination, noch seltener seine kräftige Falsett-Stimme. In Europa fühlte er sich bald nicht mehr wohl, ging 1972 nach New York und schuf 1978 die Kunstfigur Klaus Nomi. Der Name, ein Anagramm des Science-Fiction-Magazins OMNI, war gleichsam Programm seines extravaganten Auftretens. Man kann sich einen Marsbesucher beim sonntäglichen Kirchgang vorstellen: weit ausladene, die Schulter betonende frackähnliche Kostüme wurden mit viel Plastik kombiniert – ein hyperstilisiertes Image, dabei ständig changierend zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit. Die unterkühlt in Szene gesetzten Bühnenshows der Nomi-Band versetzten die Zuschauer in New York in Begeisterungsstürme. Schnell war Nomi eine Nummer der erwachenden New-Wave-Bewegung. 1979 trat er gemeinsam mit seinem Bandmitglied Joey Arias als Background-Sänger bei David Bowie auf. Faszinierend an Nomi waren seine schillernde Oberflächlichkeit und eine mit gruseligem Ernst erzeugte Künstlichkeit. Klaus Nomi starb 1983 als eines der ersten prominenten AIDS-Opfer in New York.

In Hommage á Klaus Nomi verfremdet Olga Neuwirth neun von Klaus Nomi für seine Shows bearbeitete Lieder. Sozusagen die Cover-Version der Cover-Version so bekannter Lieder wie Wenn ich mir was wünschen darf von Friedrich Holländer aus dem Blauen Engel. Bekannte Klangsituationen werden verformt und entwickeln sich zu nervösen Klangkomplexen. Die flimmernden Gewebe, das Changieren von Dichte und Fülle erzeugen eine künstliche Nomi-Welt. Die differenzierten Veränderungen klanglichen Perspektiven zeichnen den reichhaltigen musikalischen Kontext des Klaus Nomi. Aufgesplittet in einen Schauspieler und einen Countertenor wird die Figur Nomi beleuchtet. Countertenor Andrew Watts entwickelt dabei eine berührende Intensität, seine Stimme eine Kraft und Dynamik, welche das Original wirklich erreicht, wie im anschließenden Film The Nomi Song von Andrew Horn mit Originalausschnitten zu bewundern ist. Olga Neuwirth, auch für die Arrangements verantwortlich, hat sich mit ihrer Ausstatterin Yoshio Yabara für eine farbenreiche Inszenierung entschieden. Die Musiker sind zentral auf der Drehbühne platziert, in Skelettkostümen und aufwendig geschminkt geben sie ein Totenorchester, spielen das Requiem auf Nomi. Man kann es zuviel finden, wenn sie auch noch Faschingshüte tragen, was wirklich daran stört, ist die direkte Komik, welche einem Meister der Ironie und Verfremdung irgendwie nicht gerecht wird.

Neuwirths Songplay bewegt sich in der Tradition amerikanischer Zeitopern, für die sich der Begriff der CNN-Oper herausgebildet hat. Anders als beispielsweise jüngere Beispiele wie Dead Man Walking von Jake Heggie versucht sich Neuwirth nicht an der Story selbst. Auf ihrer als Komponistin ureigenen musikalischen Ebene transformiert sie das Geschehen um den Künstler Klaus Nomi in klangliche Aggregatzustände. Sehr assoziativ besonders im vokalen Teil versperrt sich die Partitur aber einem bloßem narrativen Fortschreiten, was dem Leben Nomis auch keinesfalls gerecht würde, auf der anderen Seite Neuwirths Vorlieben für Verschiebungen und Deformationen aufs Trefflichste bedient.

MaerzMusik 2008
Festival für aktuelle Musik vom 7.-16.03.2008

Olga Neuwirth (geb. 1968): Hommage á Klaus Nomi – a songplay in nine fits
für Countertenor, Schauspieler und Ensemble (2007/2008) UA/AW
Text: Thomas Jonigk
Regie: Ulrike Ottinger
Live-Video-Performance: Lillevan
Dramaturgie: Helga Utz
Musikalische Leitung: Titus Engel
Countertenor: Andrew Watts
Spiel: Marc Bischoff
musikFabrik

8. März 2008, Haus der Berliner Festspiele, Großer Saal

www.maerzmusik.de

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