Allerweltsschmöker

Wegen seiner haarsträubenden Geschichte darf „Schottische Rhapsodie“ in keiner Bahnhofsbuchhandlung fehlen

Towering in gallant fame,
Scotland my mountain hame!
High may your proud standards
gloriously wave!
Land of my high endeavour,
Land of the shining river,
Land of my heart for ever!
Scotland the brave!
Cliff Hanley: Scotland the Brave

Alba, das Land der Schotten, hat bereits viele Menschen fasziniert, Gemüter romantisch bewegt und künstlerisches Schaffen beflügelt. Schottlands grüne Hügel und schroffe Steilküsten kennen die Cineasten zum Beispiel aus Highlander, Braveheart und der HarryPotter-Kulisse, Literaten aus Sir Walter Scotts Rob Roy, Robert Louis Stevensons Entführt oder Theodor Fontanes Jenseits des Tweed. Auch Autor Robert Heeling ist vom rauen Charme des Landes inspiriert und lässt es in seinem Roman Schottische Rhapsodie zum Schauplatz apokalyptischer Ereignisse werden.

Auf einer Reise durch die nördlichen Highlands wird der anonym bleibende Ich-Autor durch ein Unwetter im kleinen Örtchen Glenncairn – an der Westküste irgendwo zwischen Helmsdale und Wick gelegen – zum Zwischenstopp gezwungen. Bei seinem Aufenthalt im dortigen Gasthof erfährt er von einer unglaublichen Geschichte, die sich in den 20ern des letzten Jahrhunderts auf eben jenem Flecken Erde zugetragen haben soll. Damals nistete sich ein so geheimnisvoller wie unsympathischer Fremder im Dorf ein und Unheilvolles begann. Denn schon bald zeigte der Neuankömmling sein dämonisches Antlitz und zog zunächst die Kinder, dann die Erwachsenen in seinen Bann. Die ihm nicht folgten, fürchteten spätestens um ihr Leben, als der Pastor den Freitod suchte. Zur gleichen Zeit kamen im südlicher gelegenen Inverness ein Scotland-Yard-Inspektor und sein Assistent einer merkwürdigen Serie von Grabschändungen auf die Spur, in der Toten die Augen gestohlen wurden. Rätsel über Rätsel türmen sich an beiden kriminologischen Fronten auf, bis sich – man ahnt es – alle Fäden zu einem einzigen, großen Fall verspinnen.

Weckt das Buch zunächst Erwartungen, das Flair der Northern Highlands einzufangen, einer Region, die touristisch (noch) nicht so bestürmt wird wie Ben Nevis oder Loch Ness, so enttäuschend gestaltet sich der Fortgang der Lektüre. Heeling gelingt es zu Beginn, das Besondere der Landschaft und die eigentümliche Atmosphäre einzufangen. Doch verderben diverse Unstimmigkeiten sukzessive den Lesespaß. Da sind die zu glatt und oft gestelzten Dialoge, die nie und nimmer zu Pub-Schwatz oder erbitterten Wortgefechten passen. Und wieso sich ein Fischer als Nebeneinkunft ausgerechnet Schweine hält statt der sonst üblichen Schafe, bleibt genauso das Geheimnis des Autors wie die Frage, warum sich die Dörfler an Whiskey laben, statt am schottischen Whisky. Ob wiederkehrender Tippfehler oder aus Unkenntnis entstanden, weist dies – genauso wie ein „Buttler“ – auf ungenügende Lektoratsarbeit hin. Und auch das Dorf Glenncairn gibt es nicht, wohl aber Glencairn. Falls der Ort der Handlung fiktiv sein soll, dann hätte man sich immerhin an die korrekte Schreibweise halten können: „Glen“ bedeutet soviel wie Senke oder Tal, während das Wort „Glenn“ in keinem schottischen Orts- und Flurnamen zu finden ist.

Leider verfliegt der anfängliche Eindruck, das Buch würde sich wirklich mit der Region auseinandersetzen, und die anschaulich-deskriptiven Elemente verblassen zugunsten einer haarsträubenden Handlung, die letztlich überall spielen könnte. Schließlich wird auch der geschilderte Kriminalfall alsbald zur Farce. Die biblische Offenbahrung – darunter geht es in einem Mystery-Thriller wohl nicht. In einem derartigen Rahmen lassen sich die altbekannten apokalyptischen Zitate aus dem Buch der Bücher hübsch einfügen, wobei die Prophezeiung des Johannes natürlich die zentrale Stellung einnimmt. Die Dramaturgie ist solide entfaltet, aber auch wenig überraschend. Besonders die aus der allwissenden Erzählersicht gestreuten Cliffhanger ? la „da ahnten sie noch nicht, dass…“ wirken mehr störend als Spannung erzeugend. Und auch das Wortspiel mit dem Namen des teuflischen Fremden – es sei hier nicht aufgelöst – ist plump und wenig originell. Zwar über dem Bastei-Lübbe-Niveau angesiedelt, fehlt dem Roman einiges zum großen Wurf. Als Schmöker für einsame Nächte, verschwitzte Liegestuhlstunden oder lange Zugfahrten taugt er aber allemal und sollte deshalb – um einen gängigen Werbespruch aufzugreifen – in keiner gut sortierten Bahnhofsbuchhandlung fehlen.

Robert Heeling: Schottische Rhapsodie
Anderbeck Verlag
Anderbeck – 2008
264 S. – 12,90 €
www.anderbeck-verlag.de

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.