Zocken zwischen Zoo und Zentrum

Der Leipziger Kollektivroman „Casino Rosental“ lässt teils herausfordernd, teils sperrig versierte und ungeübte Autoren an einer Story stricken

Filmregisseur, Bankangestellte, Journalistin auf Hartz IV, Tischler, Softwareentwickler, Drogistin, Germanistikstudentin, Logopäde, Soziologin, Club-Manager, Krimi-Autor und Diplompsychologin. Was haben diese Berufe gemeinsam? Es sind die Berufe der 16 Autor/innen, die gemeinsam den Leipzig-Roman Casino Rosental geschrieben haben. Die Idee, einen Gemeinschaftsroman zu entwickeln, stammt vom FHL-Club. Betreuung, Koordination und Herausgabe übernahm Schriftstellerin Sonja Ruf.

Das Projekt ist erstmal als solches spannend. Zumal es wirklich ein Gemeinschaftswerk ist. Jede der beteiligten Personen übernahm bestimmte Abschnitte und Kapitel, ohne daß den Lesenden verraten wird, von wem welche Stellen sind. Und das ist gut so. Es wird zwar deutlich, daß erfahrenere Leute unter den Schreibenden sind – unter ihnen befinden sich Karl-Heinz Heydecke, Henner Kotte und Jacqueline Sterzik – aber es ist unmöglich zu sagen, ob sie die ausgefeilteren Absätze geschrieben haben, oder ob diese nicht auch von einem der Amateure stammen, die bisher noch nie eine Zeile zu Papier gebracht hatten.

Insgesamt liest sich das Buch flüssig, es ist amüsant und kurzweilig. Schade nur, daß interessante Handlungsstränge oft im Sande verlaufen. Eine Haupthandlung gibt es dennoch und somit auch einen roten Faden, der die Nebenverzweigungen zusammenhält. Die Geschichte dreht sich um eine junge spielsüchtige Frau, die mit Hilfe einiger Studenten Pferdewetten manipuliert, um an das große Geld zu kommen. Daß dies mit einer Menge Schwierigkeiten verbunden ist, versteht sich von selbst. Die eigentliche Protagonistin ist die Stadt Leipzig, da tauchen bekannte Kneipen auf, werden Anspielungen auf den U-Bahn-Bau und andere aktuelle Ereignisse gemacht und Einrichtungen wie HTWK und LVZ (im Roman LBZ) erwähnt. Hauptschauplatz ist neben einer Studenten-WG und der Pferderennbahn im Scheibenholz das Casino Rosental, ein akribisch und erstaunlich lebendig in der Fantasie zusammengezimmerter Prachtpalais zwischen Zoo und Zentrum.

Skurril ist die Mischung der Genres, die in Casino Rosental aufeinandertreffen. Krimi und Gaunerkomödie, Liebesschnulze und Erotische Erzählung, Fantasy und Sozialdrama sind nur einige davon. Selbst ein Kapitel, das an konkrete Poesie grenzt, gibt es. Nachdenklich-melodramatisch wechselt sich mit flapsig-humoresk ab. Diese Sprünge sind teils herausfordernd, teils sperrig.

Das 215 Seiten starke Taschenbuch ist sicher kein Meisterwerk, aber ein kleines Lesevergnügen nicht nur für den gemeinen Leipziger. Wer keine Lust hat, den (West-)Verwandten schon wieder einen teuren Leipzig-Bildband zu schenken, sollte es mal mit diesem Kleinod versuchen. Opa freut sich, Kusinchen schmunzelt. Vielleicht auch über die Stelle, die ich am meisten liebe: „…deshalb habe ich mir von einer Schauspielstudentin eine Burka ausgeliehen. Die inszenieren ja nichts mehr ohne mindestens eine Burka auf der Bühne.“ Sagt Scarlett Schneyder zu ihrer Freundin Marlene. Wobei wir beim bösesten Schnitzer wären. Scarlett Schneyder: Wie kann man einer Romanfigur einen so bescheuerten Namen geben? Aber halb so schlimm. Die anderen Personen haben ganz gewöhnliche Namen wie Marco Franke oder Katrin Schmidt. Und Rhett Becker mußte draußen bleiben.

Sonja Ruf (Hg.): Casino Rosental
Edition Paper One
Leipzig – 2008
216 S. – 11,95 €
www.teamofdestruction.de

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.