Blutrausch in Lokalkolorit

Die Krimianthologie „Mordssachsen 2“ skizziert eine todbringende, zum Glück fiktive Topographie des Freistaates

„Was soll das, ist dies ein Mord aus einem Kriminalroman?“ fragte er geringschätzig.
Edgar Wallace: Die roten AsseSachsen morden weiter – Nach dem Erfolg der ersten Sammlung sächsischer Mordsgeschichten, ist nun ein zweiter Band nachgeschoben worden. Auch er zeichnet eine todbringende, zum Glück fiktive Topographie des Freistaates.

Zwanzig Autorinnen und Autoren haben Kriminalerzählungen beigesteuert und damit viele Orte Sachsens abgedeckt. Da krankt ein Leipziger Soziologieprofessor ob seiner Unscheinbarkeit an Geltungssucht, wird eine Bluttat als künstlerischer Akt im Elbsandsteingebirge ausgeführt und werden Ränke um einen Grundstückdeal in Meißen geschmiedet. Die schlichte Geldgier führt die Hand am Cospudener See, juvenaler Ehrgeiz rund um ein Judomatch motivieren am Schauplatz Chemnitz und in Bautzen holt einen Polizisten seine Vergangenheit in den DDR-Sicherheitsorganen ein. Auch in Zwickau, Leipzig und einer anonymen Zonen-Amtsstube ist Rache das Motiv. Es ist die Eifersucht nahe Schwarzenbach, in Hohenstein-Ernstthal und Carlsfeld im „Sapperland“. Ungehemmte Triebe führen Schreckliches in Döbeln und Leipzig herbei, Heimtücke und die Lust am Spiel treibt im ostsächsischen Hohnstein die Giftmischer an. Gemordet wird in Dresden und Görlitz aus Geldgier, in Johanngeorgenstadt zur Vertuschung. Im Zuge der Raffsucht wird im Netzschkauer Schloss ein musikalisches Juwel der Vergangenheit wiederentdeckt. Und besonders amüsant liest sich die Moritat über acht Kumpels im Vogtland. Ein überhitzter Sommer plagt ihre Gewissen, denn unter dem sinkenden Wasserstand der Talsperre Pöhl könnte Makabres zum Vorschein kommen. Nur unter großen Mühen lassen sich ihre kleinen Sünden verbergen. In den Geschichten bedienen sich die Totschläger und Kapitalverbrecherinnen der verschiedensten Mordinstrumente. Lebensverkürzend wirken hier verdorbene Hülsenfrüchte, dort eine Klinge im Regenschirm oder der Klassiker: der heimische Knollenblätterpilz. Kreativ sind ein präparierter Grill und ein Heftgerät („Klammerfrosch“).

Wie das bei Anthologien der Fall ist, liegt auch hier eine große Bandbreite hinsichtlich Originalität und sprachlichem Niveau vor. Mancher Beitrag ist zu durchschaubar oder kommt zu konstruiert daher. Auch manche Stilblüte findet sich, so heißt es etwa, eine „moderne Gaststätte“ sei eingerichtet worden. Und wenn die englische Originalausgabe von Tolkiens Der kleine Hobbit zum massigen Wälzer gedeiht, den man mit einer Hand schwerlich heben könne, scheint das doch arg übertrieben. Die regionale Verknüpfung der Krimis bietet gute Gelegenheit, in die fiktiven Geschichten kleine Ortsbeschreibungen, lokale Kuriositäten und Historisches einzufügen. Dies ist in den meisten Fällen geglückt, ohne Reiseführerlektüre entstehen zu lassen. So erfährt man nebenbei von der kulinarischen Spezialität „Neinerlaa“ („Neunerle“), dem typischen Weihnachtsgericht des Erzgebirges, oder von Woyzecks Richtstätte, dem durch den City-Tunnel-Bau aufgebrochenen Leipziger Marktplatz. Von einigen Ausrutschern abgesehen ist der Band eine insgesamt sehr hübsche Ansammlung kurzweiliger Kriminalgeschichten.

Claudia Puhlfürst & Petra Steps (Hg.): Mordssachsen 2. Sachsen morden weiter
Gmeiner-Verlag
Meßkirch 2008
373 S. – 9,90 €
www.gmeiner-verlag.de
www.mordssachsen.de

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