Auslese durch Leistung: Die neue Elite

In „Gestatten: Elite“ zeichnet Julia Freidrichs mit flotter, journalistischer Schreibe ein differenziertes Bild von jungen, ehrgeizigen Menschen

Nachdem es nicht mehr schlimm zu sein scheint, dass Wort „Elite“ im Mund zu führen und eine solche auch von der Bundesministerin für Bildung gefordert wird, als wäre sie eine Notwendigkeit für eine gesunde Gesellschaft, hat Julia Friedrichs sich aufgemacht, die künftige Elite des Landes dort zu besichtigen, wo sie ausgebildet wird. Wer sich kopfkratzend fragt, wodurch sich diese Elite denn legitimiere, erfährt schnell, worum es geht: Leistung. Die Leistungselite ist es zu recht, weil sie sich ihren Status durch Leistung erarbeitet hat. Klingt danach, als könnte dazu jeder gehören, wenn er sich nur genug anstrengt. Blöderweise klingt es aber auch danach, dass diejenigen, die nicht dazu gehören, einfach zu wenig Einsatz gezeigt und ergo ihre Situation selbst verschuldet haben. Verschleiert wird mit diesem Begriff, dass Geld ebenfalls eine Leistung ist. Und die kann viele Türen öffnen.

Die Aufnahmeprüfung in eine der so genannten Elite-Universitäten schaffen immerhin 25% aller BewerberInnen. Dabei drängt sich der Gedanke auf, dass das wahre Auswahlkriterium die Antwort auf die Frage ist, ob man sich die Gebühr von 10.000 ? jährlich leisten kann. Und tatsächlich: Wo Geld da ist, kann eine scheinbar besondere Ausbildung finanziert werden. Wer dieses Geld nicht hat, bleibt schnell draußen, Leistung hin oder her. Und wer aus der falschen Schicht stammt, dem fehlt der Stallgeruch für den Vorstandsposten.

Bei ihrer Tour spricht die Autorin mit vielen SchülerInnen und StudentInnen von verschiedenen elitären Einrichtungen, aber besucht auch einen Kindergarten mit Wellness-Bereich und einen Attac-Aktivisten. Durch viele Gespräche zieht sich der Grundgedanke, dass es nun mal Gewinner und Verlierer gäbe. Immerhin finden das nicht alle moralisch unbedenklich und die meisten der Elite-AnwärterInnen fühlen zumindest ein gewisses Unbehagen bei dem Wort mit dem E. Viel gemeinsam haben sie aber nicht. Während die InternatsschülerInnen auf einer regulären Schule versagt haben und faul und gelangweilt der Zukunft harren, in der sie das von Papi erarbeitete Erbe antreten, haben die geförderten StudentInnen mit Migrationshintergrund tatsächlich sehr hart gearbeitet, um trotz systematischer Ausgrenzung der Hauptschulkarriere zu entgehen. Auch die TeilnehmerInnen einer Begabtenförderung kann man nicht ohne Weiteres mit den StudentInnen an einer teuren Uni vergleichen, die sich als künftige UnternehmensberaterInnen sehen.

Selbst wenn es nicht immer explizit genannt wird, so scheint gerade bei den Geld-Eliten ein Prinzip häufig durch: Survival of the fittest. Wer ein Wörterbuch konsultiert, erfährt, dass es nicht der Stärkste, sondern vielmehr der am besten Angepasste ist, der sich bei Darwin durchsetzt. Ständig der am besten Angepasste zu sein, kann man durchaus als Leistung bezeichnen. Warum man diese Anpassung am besten mit 16-Stunden-Tagen in einer Unternehmensberatung dokumentiert, haben die Elite-StudentInnen leider nicht beantworten können.

Friedrichs zeichnet mit flotter, journalistischer Schreibe ein differenziertes Bild von jungen, ehrgeizigen Menschen. Dabei verfranst sie sich nicht ganz zu Unrecht in den verschiedenen Definitionen von „Elite“ und formuliert eine durch den subjektiven Blick geprägte Kritik von sozialer Ungleichheit, die, wie das ganze Buch, viele kluge Gedanken enthält.

Julia Friedrichs: Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen
Hoffmann und Campe Verlag
Hamburg – 2008
256 S. – 17,95 €
www.hoffmann-und-campe.de

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