Auf der Suche nach Stimmen

„Tragödie – Stimme – Sprechen“ im Völkerschlachtdenkmal

Die Ehre des Siegers und die Schmach der Niederlage treffen sich im Völkerschlachtdenkmal, das an ein Ereignis erinnert, bei dem die Sachsen als Verlierer aus der Schlacht gingen, und das zu einer Zeit großnationaler Träume erbaut wurde. Dieser Nationalismus findet sich wieder in der Symbolik des Denkmals mit ihren trauernden Kriegern und den übermenschlichen Tugenden der Schlacht: Tapferkeit, Glaubensstärke, Opferbereitschaft und Volkskraft.

In der Ruhmeshalle und der Krypta des Völkerschlachtdenkmals, de facto ein Raum, werden Jelineks Bambiland und Aischylos‘ Die Perser aufgeschnitten und von verschiedenen Stimmen interpretiert, als Monolog und Dialog, als Strophe und Gegenstrophe, mit Zwischenrufen und im Chor, interpretiert von Studentinnen des Instituts für Theaterwissenschaft. Die Perser wurde aus der Perspektive derer geschrieben, die in der Schlacht bei Salamis gegen die Griechen unterlagen und damit nötigte Aischylos dem griechischen Publikum das Mitleiden mit dem Feind auf. Bambiland übernimmt die Perspektive des Kriegsteilnehmers und thematisiert in einem dichten Wortkörper ohne erkennbare Rollen den Irakkrieg mit großen textlichen Anleihen bei Aischylos.

Die historischen und politischen Hintergründe von Text und Raum verknüpfen sich zu neuen Assoziationen. Dabei erklingen Stimmen von oben und von unten, gruppieren sich immer wieder neu, treten in den Hintergrund und in die Mitte, sprechen zur Wand oder in den Raum oder sitzen den Kriegern in der Krypta auf dem Schoß. In den Momenten der Stille wird dieser Raum mit seiner archaisierten Architektur auf sich zurückgeworfen und beim finalen Chor zum beeindruckenden Klangkörper. Der Besucher wird Teil der Installation, da er, die Bewegung nachvollziehend, ebenfalls den Raum durchwandert und ebenfalls zwischen den Tugenden der Völkerschlacht und der Krypta wechselt.

Die schwierige Akustik der Krypta mit ihrem langen Nachhall kann durch ausliegende Texte und die damit gegebene Möglichkeit zum Mitlesen ein wenig ausgeglichen werden. Polternde Papis mit Bierplautze, greinende Kleinkinder und ähnliche bekannte Zumutungen von Sonntagsausflüglern auf der Suche nach einem Turm, den man besteigen kann, führen auf ihre Weise die Fragilität der Installation vor Augen und brechen immerhin die heroische Geste des Gebäudes.

Tragödie – Stimme – Sprechen – Texte über Zorn und Klage
Künstlerische Leitung: Christine Standfest
Stimmen: Anne Kathrin Münnich, Theresa Kartzewski, Josefine Jochum, Deborah Bergner, Corinna Weber, Josepha Vogel, Deborah Bergner, Corinna Weber, Josepha Vogel, Sabine Sembdner, Vero PilchVölkerschlachtdenkmal Leipzig
06. Juli 2008

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