Amor fati?

Thomas Ott legt eine ansprechende wie rätselhafte Graphic Novel mit Ominösem vor: „The Number 73304-23-4153-6-96-8“

Doch warum schenkt mir das Begreifen keinen Frieden? Warum das Schicksal lieben, wenn es einen genauso tötet wie die Vorsehung und das Komplott der Archonten?
Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel

„Gott würfelt nicht“? – Nach seiner Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl hinterlässt ein Delinquent einen Zettel. Darauf ist ein seltsamer Zahlencode geschrieben, der mit dem Schicksal der armen Seele verbunden zu sein scheint. Ein Justizvollzugsbeamter steckt die Notiz ein und muss bald feststellen, dass die Ziffernreihe wieder und wieder in seinem Alltag auftaucht: 73304-23-4153-6-96-8. In Adressen und Telefonnummern, der Startnummer eines Marathonsiegers und der Kennzeichnung eines entlaufenen Hundes, der Tätowierung eines Pfandverleihers und auf den T-Shirts von Passanten – überall begegnen ihm in der richtigen Reihenfolge Elemente der Zahl. Ob das nur Zufall ist oder ist die kleine Notiz von schicksalhafter Bedeutung? Prima jedenfalls läst sich die Chiffre beim Roulette einsetzen und auch das Herz mancher Frau ist damit zu gewinnen. Nur nicht dem numerologischen Wahnsinn verfallen, denn der Code ist zwar nicht The Number of the Beast, besitzt aber auch infernalischen Zauber.

Mit The Number hat Thomas Ott eine höchst enigmatische Erzählung vorgelegt, deren Reiz gerade in seiner Rätselhaftigkeit besteht. Den sonderbaren Mystery-Thriller hat der Züricher Künstler graphisch höchst konzinn realisiert. Seinem markanten Stil treu bleibend, benutzte er als Darstellungsmittel erneut die Schabkartontechnik, derer er sich bereits in Tales of Error (1989) und Greetings from Hellville (1995) eindrucksvoll bediente: Vom Zeichengrund wird eine Schwarz pigmentierte Schicht weggekratzt, die hinterlassenen weißen Spuren erzeugen ähnliche Effekte wie sie bei der Radierung entstehen. Allerdings erscheint die Graphik wie ein Negativbild und entfaltet somit dessen eigentümliche Wirkung, die wie geschaffen ist für Otts sinistre Sujets. Die besondere Aura seiner Geschichte wird durch den Verzicht auf sprachliche Mittel unterstützt. Auch diese Story wird – wie so typisch für Otts Comics noires – stumm erzählt. Durch diesen Verzicht springen die Details seiner tristen Panele umso stärker ins Auge. Dem Bedrückenden des abgebildeten zahlengesteuerten Fatums ist so kaum zu entrinnen. Das Album ist eine wahre Schicksalsnummer.

Thomas Ott: The Number 73304-23-4153-6-96-8
Edition Moderne – Zürich 2008
144 S. – 19,80 €
www.editionmoderne.de/ott.htm

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