Leben heißt Ideale verraten

Silvio Solinis „Tage und Wolken” kommt ins Kino

„Ich stecke in der Scheiße und du bist ein Stück Scheiße“, fährt es aus Michele (Antonio Albanese) heraus. Es ist sein letzter Versuch, nach seinem Rauswurf noch einmal mit seinem vormaligen Firmenpartner und Freund Roberto zu sprechen. Vergeblich.

Michele wollte einige Entscheidungen des gemeinsamen Unternehmens nicht mittragen, mit dem neuen Teilhaber kam er auch nicht zurecht und so findet er sich plötzlich in der misslichen Lage ohne Lohn und Brot wieder. Eine Zeitlang spielt er seiner Frau Elsa (Margherita Buy) etwas vor, um deren bevorstehende Doktorprüfung im Fach Kunstgeschichte nicht zu gefährden. Doch am Tag nach der Prüfung lässt er die Bombe platzen. Von nun an beginnt für die beiden glücklichen Eheleute ein rapider sozialer Abstieg. Das ständige Reisen, die große Wohnung – alles gehört der Vergangenheit an. Ein tägliches Schauspiel vor den engsten Freunden und der eigenen Tochter (Alba Rohrwacher) zermürbt das Paar, aber vor allem der Kampf um das eigene Selbstwertgefühl und die gemeinsame Liebe.

Regisseur Silvio Soldini hat sich mit Tage und Wolken eindrucksvoll zurückgemeldet. Ohne große Übertreibungen, ohne zu überzeichnen und ohne dabei kitschig zu sein, erzählt er die Geschichte einer beeindruckenden Liebe und eine wunderbare Fabel über den Zustand der Welt oder zumindest der italienischen Hafenstadt Genua. Es geht um das tägliche Glück und dessen ständige Abhängigkeit von den eigenen, finanziellen Möglichkeiten. Um die Entscheidung zwischen einem starren Festhalten an Idealen oder der Verwirklichung des eigenen Lebensplans. Immer bleibt die Kamera ganz dicht an Elsa und Michele. Zeigt die hoffnungsvollen Momente einer hoffnungslosen Situation und die vielfachen Momente der Schamgefühle, Verzweiflung und Selbstaufgabe Micheles.

Was macht diesen Film also so bemerkenswert? Es ist seine wunderbare Nähe zu den beiden Protagonisten. Darüber hinaus eine Handkamera (und das erlebt man nicht alle Tage), die ruhige, eindringliche Bilder liefert und das faszinierend gute Schauspiel der beiden Hauptakteure. Zwischen pragmatischer Suche nach Auswegen und tiefer Verzweiflung angesichts des Unumkehrbaren. Es ist dieser beklemmende Hauch von Alltäglichkeit, mit welchem das Paar auf soziale Talfahrt geschickt wird und welcher es nur durch Liebe trotzen kann.

Tage und Wolken

R: Silvio Soldini
D: Margherita Buy, Antonio Albanese, Giuseppe Battiston, Alba Rohrwacher, Carla Signoris u.a.
IT/CH 2007 – 115 min.

Kinostart: 9. Oktober 2008


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