Neues aus der Zauberschule

In einer Zeit von Pest und Not: Marco Kreuzpaintner verfilmt „Krabat”

Wir begeben uns in das 17. Jahrhundert. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in einer Zeit von Pest und Not, gerät der Betteljunge Krabat in die Mühle im Koselbruch. Die zunächst freundlich wirkende Bleibe verwandelt sich in einen Albtraum, denn der Meister ist kein einfacher Müller, sondern ein Meister der schwarzen Magie. Er vermittelt seinen zwölf Gesellen übermenschliche Kräfte. Aber alles auf dieser Welt hat seinen Preis, so heißt es. Deshalb muss jedes Jahr einer von ihnen, der beste, das Leben lassen. Auch Krabat gerät in die Fänge der schwarzen Macht bis er im Angesicht des Todes gegen seinen Meister aufbegehrt.

Der Krabat-Stoff fußt auf der sorbischen Sage von einem Helden, der im Berg Kaponiza schläft und eines Tages seine Heimat befreien wird. Dieser Mythos vermischt sich mit der realen Gestalt eines kroatischen Obristen, der zur Zeit August des Starken in die Lausitz kam. Von „Kroate“ leitet sich der Name Krabat ab. Er legte Gräben an, entließ seine Bauern aus der Leibeigenschaft, ritt wie ein Teufel und legte wohl auch sonst manch wundersames Verhalten an den Tag. Deshalb wurde er in der Sagen spinnenden Lausitz als eine Art weißer Zauberer angesehen und, unter seinem bürgerlichen Namen Johann Schadowitz, 1704 in Wittichenau in Ehren beigesetzt.

Der Krabat-Sagenkreis ist fest verbunden mit dem Kampf der Sorben gegen Armut und die Vormachtstellung des sächsischen Königs. Es gibt literarische Fassungen durch Lausitzer Schriftsteller wie Mirci Nowak und Juri Brezan, einen DEFA-Film von 1975 – in keiner Form hat Krabat jedoch eine solche gesamt-deutsche und weltweite Anhängerschaft gefunden wie im gleichnamigen Jugendbuch von Otfried Preußler. Seit 1972 wurden fast 2 Millionen Bücher verkauft, die Übersetzungen gingen in Sprachen wie Chinesisch, Katalanisch und Nordsamisch.

Der Krabat-Stoff kreist um die Verführung durch die dunkle Seite der Magie und das Überwechseln auf die helle Seite. Errettung vor dem Tod durch Liebe. Aufbegehren eines Heranwachsenden gegen die Macht seines Meisters und letztendlich der offene Aufbruch gegen ihn. Das Erreichen eines Zieles durch harte Arbeit und Selbstkontrolle. Das Erkennen mit dem Herzen. Das Wiederkehren der Jahreszeiten synonym mit dem Kreislauf von Entstehen und Sterben. Mutterliebe, Religiosität, Freiheitswille.

Zweifelsohne ein großartiger Stoff. Ein Stoff, der mehrere Generationen im Heranwachsen beeinflusst hat. So auch Marco Kreuzpaintner, den 1977 geborenen deutschen Regisseur, der als Jugendlicher das Buch mehrmals gelesen hatte und dem nach der Abtretung von Hans-Christian Schmid die Regie der 8-Millionen-Euro-Produktion anvertraut wurde.
Eine große Herausforderung, in einer Zeit der Überflutung durch Hochglanz-Fantasyfilme einen eigenen, nennen wir es: deutschen Weg zu finden. Und eine eigenständige Interpretation.

Wer das Krabatbuch kennt und wohl zwangsläufig in seinem Bann steht, wird mit dem Film keine Überraschung erleben. Auch keine böse. Die Dramaturgie des Buches wurde weitestgehend beibehalten. Einzig die dreimalige Wiederholung des Geschehens von der Ankunft des Neugesellen bis zum Tod eines Altgesellen wurde auf ein filmisches Maß von zwei verkürzt. Ein wenig verschenkt wirkt der Konflikt zwischen Meister und Schüler. Der entscheidende Moment, in dem Macht und Reichtum auf der einen Seite und der Tod auf der anderen Seite winken, wird ziemlich rasch durch das Erscheinen der liebenden Kantorka aufgelöst, die Krabat beim Meister freibittet. Die Macht des schwarzen Magiers schwindet, die Raben krähen höhnisch, hacken auf ihn ein und schon geht der Meister mitsamt seiner Mühle in Flammen auf.

Entsprechend der Unentschiedenheit in der Interpretation schwankt auch die ästhetische Umsetzung zwischen dem Versuch von Hochglanz-Fantasy und handgemachtem Abenteuerfilm. Das soll aber niemanden abhalten, in die Gemeinde der Krabat-Fans zu stoßen, die sich durch diesen Film sicher mehren wird. Denn wenn man den Film nicht an seiner Vorlage beziehungsweise seinen Vorlagen misst, kann man die 120 Minuten als spannend und mit schönen Momenten genießen. Schlicht und eindrucksvoll ist zum Beispiel die Osternacht, in der die jungen Mädchen in Schwarzkollm Licht aus der Kirche ins Freie tragen. Allen voran die schneewittchenhaft schöne Paula Kalenberg als Kantorka, ein Lied singend, das sorbisch sein soll und leider aus Kauderwelsch besteht.

Auf der Suche nach einem geeigneten Drehort ging die Lausitz als quasi Originalschauplatz leer aus. Der ansässige Krabatverein hatte in Hoffnung auf die Filmproduktion schon vor Jahren eine Mühle nachgebaut. Die Mühle im Koselbruch unweit von Schwarzkollm gibt es tatsächlich. Doch sie ist durch Umbauten zum Wohnhaus gerade noch im Ansatz zu erkennen. Die sanft gewellte Landschaft besitzt zwar den echten Bach und ein echtes Moor, aber mit der eindrucksvollen Kulisse der Karpaten kann sie es nicht aufnehmen. So wurden die Außenaufnahmen für den Krabat-Film in Rumänien gedreht, in einem Tal Nahe Sibiu, der Kulturhauptstadt 2007. Begehbare Gebäude wurden dort nach historischen Vorbildern von rumänischen Handwerkern erbaut, ein Bach angelegt, Misthaufen aufgeschüttet. Schon seit 2006 konnten Krabatfans in einem Blog im Internet das Abenteuer des Filmentstehens miterleben und manches liebevolle Detail auf Fotos vorab betrachten. Der Film besticht durch seine Haptik: Mehl und Schmutz in den Gesichtern, echte Nachtaufnahmen, echte Eiszapfen, echter Schlamm. Durch diesen wateten David Kross, ein noch recht unbekanntes Gesicht für den Krabat, Daniel Brühl als sein Vertrauter. Christian Redl als Meister zieht alle Register von Sympathie bis zum Schauder, in letzterem überboten nur noch durch den gesichts- und namenlosen Gevatter, der in Vollmondnächten seine Knochenfuhren zum Mahlen bringt. Dieser Spuk hat bald ein Ende. Zwar muss der junge Regisseur noch zaubern lernen, doch Krabat naht mit großen Schritten.

Krabat

R: Marco Kreuzpaintner
D: David Kross, Daniel Brühl, Christian Bredel, Paula Kahlenberg, Anna Thalbach u.a.
De 2008 – 120 min.

Kinostart: 9. Oktober 2008



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