„Das schöne Lesen“

Mit Buch und Jens Friebe bestreitet Christiane Rösinger ihre Multimedia-Show

Wenn Musiker plötzlich Bücher schreiben, sollte man erstmal Angst kriegen. Es gibt ja oft gute Gründe dafür, dass sie die meiste Zeit ihres Berufslebens auf Bühnen und Autobahnen, in Studios und Hotelzimmern verbringen und nicht schreibend am Schreibtisch. Da sitzen normalerweise ergrauende Herren und Damen, um die Zeit bis zum Literaturnobelpreis möglichst unerkannt von der Weltöffentlichkeit herumzukriegen – Popstars aber haben, so meint man, Fan-Ansammlungen zu entertainen und schreiben höchstens mal ein Autogramm oder sogenannte Lyrics. Bücher gibt es nur, wenn es finanziell schlecht aussieht (Küblböck) oder selbstbewusstseinstechnisch zu gut (Bohlen).Christiane Rösinger aber, die Sängerin der Band „Britta“ und Ex-„Lassie Singer“, hat den Roman Das schöne Leben verfasst und damit alles richtig gemacht. Im Conne Island war das Publikum live dabei, wie sie den Musikerautoren-Kritikern alle Argumente kaputtmachte. Und das auch noch charmant.

Apropos charmant: Jens Friebe ist auch da. Am Gelingen der als „Multimedia-Show“ etikettierten Dia-Musik-Text-Mixtur ist er, ebenfalls Schreiber und Sänger, nicht ganz unschuldig. Sein Part besteht darin, als Sidekick im richtigen Moment zum Bass zu greifen oder, was hübsche Geschichten zu Höhepunkten macht, stummfilmpianistenartig Keyboardklänge zu Texten beizusteuern. Texte, das sind hier Kapitel aus Rösingers autobiographisch geprägtem Buch, das sie selbst mit einem schlechten Radiosender vergleicht: „Sechziger, Siebziger, Achtziger und das Beste von heute.“ 47 Jahre alt ist sie, könnte die Mutter der meisten ihrer Zuhörer sein und benimmt sich zum Glück überhaupt nicht so. Stattdessen erzählt sie von ihrer Jugend in der spargelfeldöden Südwestprovinz, dem Ankommen in Berlin, Alkohol, gruseligen Frauen und Bandgründungen. Lachend ahnt man: Das alles klingt lustiger als es war.

Zum Beispiel die Sache mit dem Kuchen. Der Zusammenhang von hohen kirchlichen Feiertagen und familiärem Backstress wird niemandem mit Verwandtschaft auf dem Land verborgen geblieben sein können. Großartig lakonisch schildert Rösinger die Tortenproduktion und -verwertung am Weißen Sonntag, dem Tag der Erstkommunion. Die Linzer Torte ist Pflicht, und heikel ist ihre Herstellung: Der Teig ist das A und O, „bei seiner Zubereitung kann praktisch alles schiefgehen.“ Bauchweh beim Backen, Völlerei mit der Familie, zermatschte Kuchengeschenke in gut gemeinten Fresspaketen – wer kennt es nicht? Rösinger kennt es jedenfalls sehr gut, auch Friebe offenbar, der hin und wieder kichern und aufpassen muss, darüber nicht die Bedienung des Beamers zu vergessen.

Dann kommen auch Berlin-Kapitel, eingeleitet mit anschaulichen Erklärungen für die Spätgeborenen: „Von hier bis zur Ilse, so groß war Westberlin. Naja, so ähnlich?“ Nicht sehr groß war es jedenfalls, und Kreuzberg in den Achtzigern erscheint aus heutiger Sicht wie ein gemütliches Wohnzimmer, in dem sich die Bewohner auf ihren Sofas besuchten und zusammen tranken, bis das Bier alle war. Nur einmal wird es unheimlich und groß, als nämlich Rösinger davon erzählt, wie sie einer alten Frau die riesige Einkaufstasche nach Hause tragen musste und dabei horrorfilmmäßig der Weg immer weiter, die Tasche immer schwerer und die Alte immer gruseliger wird. Jens Friebe soll dazu eigentlich einen düsteren Klangteppich beisteuern; tut er auch, nur manchmal muss er zu sehr lachen, dann klimpert er irgendwas.

Zwischendurch und am Ende wird auch noch, damit niemand meint, es hier nur mit einer Autorin zu tun zu haben, Musik gemacht. Songs von „Britta“ und den „Lassie Singers“ gibt es und sogar ein Publikumswunsch wird erfüllt, weil Jens Friebe den dafür nötigen Akkord kann und Christiane Rösinger sichtlich gute Laune hat. Gern wäre man später dabei, wenn im Hotelzimmer weiter getrunken und, wie in der Geschichte „Drogenforschung I: Es gibt kein Bier auf Hawaii“ geschildert, im Rausch irgendein scheinbar grandioser Songtext („Es ist so heiß auf Hawaii, kein kühler Fleck / und nur vom Hula Hula geht der Durst nicht weg“) gefeiert wird. Die Texte von Rösinger jedenfalls, ob mit oder ohne Song, kann man sich auch ganz nüchtern sehr gut und gerne anhören.

Christiane Rösinger: Das schöne Leben
Lesung
Conne Island
9. Oktober 2008
Bilder: 1.Christiane Rösinger vor Acker-Dia
2. Jens Friebe, wie die Autorin ihn sieht

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