Zwischen Rumpelkisten und Geistesblitzen

Ein Rundgang über die Designers Open 2008

Überlegen auch Sie ständig, wohin mit den Ohropax, wenn sie nicht gerade im Ohr stecken (Loligo+; Bild 1)? Als Anwohner einer Hauptverkehrsstraße tue ich das. Und wollen sie manchmal auch nicht nur herumlümmeln, sondern „aktiv sitzen“ (Guerilla Now)? Nun ja, ich für meinen Teil bin mir im Ungewissen, ob ich aktiv, passiv oder gar adjunkt sitze, aber so wie es ein Bedürfnis nach Ohropax-Behältern gibt, mag es wohl auch eines nach „aktiven“ Sitzmöbeln geben, welche sich je nach Kommunikationssituation umschrauben lassen. Abwechslungsreich, bunt und oft auch mit Humor geht es in den Ausstellungsräumen der Designers Open zu. In einigen, wenigen Fällen driftet es ins Beliebige oder sogar ins Prollige ab, wenn etwa eine Nackte im Metalliclook auf dem Designmöbel posiert (Wirth), welche wohl eher als Beistellpuppe für eine Tuning-Messe gedacht gewesen sein dürfte (wer entwirft SOWAS eigentlich?).
Auffällig ist in der Gesamtschau die ausgeprägte Materialästhetik. Ob Holz, Beton oder Recycling-Materialien – es wird offen gelegt, aus welcher Ausgangssituation, aus welchem Rohstoff ein Objekt entstanden ist. Gürtel aus Fahrradreifen (YEAYEA), Schmuck aus Computerteilen (Loligo+), Eierbecher, Vogelhäuschen, Streichholzschachteln aus Beton (Burg Giebichenstein/BETONIU; Bild 2) oder Innenaccessoires wie Kerzenständer und Vasen aus groben, nur wenig bearbeiteten Holzblöcken (g.raumdetail) – die Auseinandersetzung mit dem Gegebenen bringt oft sinnliche und ansprechende Ergebnisse hervor.
Dies muss nicht im einfachen Umkehrschluss kühlen Minimalismus und verschrobene Kargheit bedeuten. Verspieltheit und Detailreichtum ergeben sich sowohl bei den materialsichtigen Objekten durch die originelle Inszenierung und die ungewohnte Verwendung, als auch bei den – wie sagt man es – künstlicheren (?) Produkten wie den fantasievollen Lampen von kafti Design, verblüffenden Radios von Designconnect (Bild 3) und nicht zuletzt auch im Modesign.
Interessant sind nicht zuletzt Grenzfälle zur bildenden Kunst, wie sie einerseits in einigen Kalligraphien aus Fachklassen der Hochschule Wismar vorliegen oder aber im bemerkenswerten ConfronTable von Hilbert Tjalkens Form annimmt: hierbei handelt es sich nicht mehr in erster Linie um Produktdesign, sondern vielmehr um eine konzeptionelle Herangehensweise. Der Esstisch wird zum StatisTisch, wenn im stilisierten Umriss eines Schweins Zahlen und Fakten vor allem über die kritischen Aspekte der industriellen Schweinezucht präsentiert werden (Bild 4).
Und natürlich kann man auch jede Menge Lifestyle-Schnickschnack, Albernheiten und Geistesblitze besichtigen, die je nach Standpunkt des Betrachters entweder absolut überflüssig sind oder eben einfach nur Spaß machen und schon allein dadurch einen Mehrwert herstellen. Hier mag man manchmal die Stirn runzeln, ob es sich wirklich um eine innovative Idee handelt oder ob es letztlich doch nur wieder beispielsweise um ein weiteres Möbel mit anderem Muster oder in anderer Form handelt, was aber letztlich auch nicht viel mehr als Staubfänger und Gerümpelkiste ist. In Analogie zur Frage nach der Henne und dem Ei fragt man sich da – auch mit Blick in die eigene Lebenswelt – doch immer mal wieder: Was war zuerst da, der Kram oder der Krambehälter?

Designers Open
www.designersopen.de
Streifenhäuser Georgiring
24. bis 26.10.2008
Bild 1: Loligo+: pace
Bild 2: Burg Giebichenstein: Eierbecher
Bild 3: Designconnect: Monobox
Bild 4: Hilbert Tjalkens: ConfronTable
Bild 5: ulrikegestalten: Zusammenfallkatze

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