Noch einmal zur „Klimarevue“

Knallbuntes Wettertreiben und wer ist Schuld? – Rainald Grebe

Nicht schlecht, Herr Specht! Alles wird aufgefahren, raus aus der Betroffenheitskiste, aus der Politisch-korrekt-Schublade, aus der Wir-müssen-was-tun-Ablage. Rainald Grebe ist mit seiner Band (schon zum zweiten Mal) ins Centraltheater gekommen. Sein Stück Alle reden vom Wetter. Die Klimarevue beschert profundes Amüsement.

Selbst existentielle Wetterprobleme lassen sich mühelos vermarkten. Es scheint, als wären alle erleichtert, sich mal über ernste Themen so richtig ausschütten zu können. Ja, zu dürfen.
Nonchalant schafft das der Künstler der feinen Pointen. Bestens bekannt mit fiesen Liedern auf gewisse Ostländer (Darf der das? Der ist doch aus Köln!). Der in Berlin ausgebildete Schau- und Puppenspieler, Regisseur, Dramaturg, Pianist sahnt seit 2003 vorwiegend als Liedermacher Preise ab. Nach dem Programm 1968 diesen Jahres geht er an diesem Abend weiter auf dem schmalen Grad des Sarkasmus: Die ganze Weltklimaproblematik ist dran. Das Thema ist heiß, heiß, heiß.

Es geht ums Weltwetterchaos: zu viel CO2, zu wenig Wälder, zu viel Meerwasser, zu wenig Nichtraucher, zu viele Chinesen, zu wenig Blauwale. Da heißt’s im Lied Kannst du dir ein Leben ohne den Blauwal vorstellen? Ja, ja, ja! Und wenn wir uns schon nicht betroffen fühlen, dann sind wir doch angetan, denn auf der Bühne wie auf der Erde wird’s warm und darum alles anders.

Rainald Grebe sitzt am Keyboard und singt mit unaufgeregt bebendem Timbre; Martin Brauer an den Drums und Marcus Baumgart mit Gitarre vervollständigen die Kapelle der Versöhnung (die beiden kommen aus´m Osten…aah, deshalb!). Drei junge Frauen schwenken toupierte Haarberge, tänzeln mal elegant, mal derb-ordinär im Background-Schwungschritt und werden dem verehrten Publikum als Fleisch-Theke vorgestellt. Sie, die Revuegirls, die Bühne und die ausgefeilte Knall- und Pyroeffekte-Show bieten Elemente des Musiktheaters, das seine historischen Wurzeln unter anderem auf Pariser Jahrmärkten hat. Parodiert wird nicht nur das Alltagsthema Wetter, sondern auch die Revue selbst, indem Rainald vom schmierig gewundenen Entertainer zum halbgelangweilten Nummernüberleiter im Drehstuhl hinübergleitet, so wie der Schlagzeuger sich anfangs seiner Rolle als Stevie-Wonder-Verschnitt entledigt und das normale Bandmitglied gibt. Abgerundet wird das tolle Ensemble von Schauspieler Peter René Lüdicke und Ko-Moderator Klaus-Dieter Werner in der Rolle der moralisierenden Instanz.

Nu darf der Sachse mal aufatmen: Von der Kapelle der Versöhnung bekommt er auch ein Lied, aber ein schöneres als die armen Brandenburger oder Thüringer. Das spricht von blühenden Palmenlandschaften und üppigen Olivenhainen: Kennst du das Land mit den Pelikanen? Kennst du das Land mit den Lianen? Kennst du das Land, wo die Datteln wachsen? Das ist Sachsen? Erderwärmung ist doch gar nicht so schlecht.
Hinein in die beißende Gefühligkeit vom Song über den zärtlichen Raben poltert der derbe Haudrauf-Refrain „Das war ein Riesenhit, Riesenhit, Riesenhit. Ich bin der Förster, Förster, Förster, bin der Förster, Förster, Förster…“ und reißt den Zuschauer zurück in die katastrophale Realität. So entgeht Grebe auch der Gefahr, sich selbst zu ernst zu nehmen oder sich zumindest so zu geben. Das Publikum ist jetzt doch betroffen und darf folglich mitspielen. Ein Riesenluftballon alias Erdball rollt von der Bühne auf die Sitzreihen zu. Während sich die Zuschauer die Welt minutenlang zuwerfen, als wäre sie nichts Schwerwiegendes, stehen diese und wenige andere Spaßnummern auf dem schmalen Grat zwischen ironischer Unterhaltung und überzogenem Klamauk.

Themen um den ökologisch korrekten Menschen, Neandertaler aus der Bronzezeit, die Neunziger, Stadt- und Landleben, Anpassungsfähigkeit des Roten Riesenkängurus sowie Medien und Gesundheitsdiktatur durchziehen das gesungene Kabarettprogramm gespickt mit skurrilen Perlen des Rock-, Schlager- und Liebesliedgenres.

Um sich ihres eigenen Mottos anzunehmen (alles im Wandel), schlüpft die Bühnencrew zum fulminanten Schlussakt in plüschige Pinguinkostüme. Sehr lustig, weil süß und unbeholfen. Und weil sie vom Aussterben bedroht sind, dürfen sie sich auch noch mal eine durch die Lunge ziehen. Geraucht wird bei Grebe eh immer auf der Bühne. Erleichterung bringt das Klönen nur bedingt, zerrissen ist der Genießer, denn seit ich nicht mehr rauche, kann ich wieder atmen… aber: Seit ich wieder rauche, kann ich wieder kacken!

Seine Art von Comedy ist also von brandaktuellem Inhalt, deshalb ein Weg aus der reinen Blödelei. Zweifelsohne enthält der Abend viel Show. Als die Erde ins Publikum rollt oder Lüdicke wieder und wieder seine schrägen Trompeten-(Un)-Künste nach Reflexionen über Klimaflüchtlinge aufzwingt, fließen gekonnt Varieté und gesellschaftspolitisches Kabarett zusammen. Der Liedermacher zeigt, dass wichtig und witzig doch eng zusammenliegen können. Einem gewissen Harald S. nicht ganz unähnlich, bloß musikalischer, werden wohl von Grebe noch ein paar Töne mehr zu hören sein.

Alle reden vom Wetter. Die Klimarevue

Regie: Rainald Grebe
Bühne: Jürgen Lier
Mit: Marcus Baumgart, Anna Blomeier, Martin Brauer, Rainald Grebe, Peter René Lüdicke, Emma Rönnebeck, Anita Vulesica, Klaus-Dieter Werner
Musikalische Einstudierung: Jens-Karsten Stoll und Die Kapelle der Versöhnung
www.centraltheater-leipzig.de
Bilder: Copyright bei R. Arnold/Centraltheater
Premiere: 13. November 2008, Centraltheater

Zur Besprechung der ersten Aufführung:
24.11.2008
Leipziger Klimawandel: Alle reden vom Wetter (Anna Kaleri)


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