„Gans ganz anders“

Charles Dickens einfach mal ganz anders bei der extravaganten Dinnershow

Es schüchtert fast ein, dieses imposante Spiegelzelt aus den 20er Jahren, das jedes Jahr aufs Neue importiert und auf dem Burgplatz aufgebaut wurde und seit einem Jahr seinen Platz in der Kongresshalle hat. Die Dinnershow des fiktiven Ensembles um Maitre Herbert von Crémefeld, dieses Mal von Torsten Spohn als Ersatz für den erkrankten Jürgen Assmann gespielt, hält hier erneut Audienz. Allein schon dieses Zelt ist einen Besuch wert. Nostalgisch gestimmt beginnt dieser Abend in der Zeit der Goldenen Zwanziger. Hier führt man sie zusammen: die Weltwirtschaftskrise der Vergangenheit und die Finanzkrise der Neuzeit.

Die Bühne befindet sich in der Mitte des Spiegelzeltes, die Tische für das Publikum sind kreisförmig rundum aufgebaut. Begrüßt wird man herzlich vom sechsköpfigen Ensemble, das uns auch zum Tisch geleitet. Schon fühlt man sich heimisch. Da wir in schweren Zeiten leben, begann die Show auch gleich mit „Sparmaßnahmen“, die uns der Maitre ans Herz legte. Und weil auch Strom in Zeiten der Krise teuer ist, blieb der erste Gang des integrierten Vier-Gänge-Menüs kalt, so erklärte es das Ensemble. Schon war geschickt ein Weg gefunden, das Kulinarische in die Show einzubinden.

Das Thema des Spektakels konnte nicht besser gewählt werden: Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte um den geizigen, grimmigen Ebenezer Scrooge, der das Weihnachtsfest hasst und in der Nacht vor Weihnachten von drei Geistern heimgesucht wird. Durch das Gesehene und die Geister geläutert, wird er ein friedfertiger, liebeswürdiger Mensch, der letztendlich doch noch am Weihnachtsfest Gefallen findet. Dargestellt wurde Scrooge von Torsten Spohn. Dickens‘ Geschichte gemixt mit Artisten, einem verrückten Ensemble, jeder Menge Humor und einem dekadenten Essen ergab einen ganz besonderen, wohlschmeckenden Cocktail.

Die Schauspieltruppe hat ihren ganz eigenen Charme. Die Mission an diesem Abend ist Spass. Man will über Finanzkrise, Sparmaßnahmen und den Geizhals Ebenezer Scrooge lachen. Der Humor zeigt sich facettenreich, von seicht bis sarkastisch. Letzteres wird er beispielsweise, wenn das Ensemble den Chef, Herbert von Crémefeld, foppt. Dann passiert es durchaus, dass auch mal ein Grabstein mit seinem Namen auf der Bühne steht und man sich über den Boss auslässt, wobei dieser selbst seiner eigenen Beerdigung beiwohnt. Das Rezept der Show ist Abwechslung, das Ensemble hat Artisten im Gepäck, die das Publikum in Staunen versetzen. Die Seilakrobaten, Rollschuhkünstler und Jongleure werden geschickt als ein Traum von Scrooge oder Gäste eines dekadenten Festes in Scrooges Erinnerung in die Geschichte eingebaut.

Anne Osterloh als Anna Karenina von Crémefeld bringt eine weitere Ebene ins Spiel: Verfremdung. Sie leiert es dem Publikum fast schon vor, dass sie versucht XY darzustellen. Ein großer Effekt, der uns zurückholt in das Hier und Jetzt, der uns daran erinnert wo wir sind: im Varieté. Die Inszenierung der Weihnachtsgeschichte ist dem Ensemble gelungen, der Abend war fantastisch. Dem Publikum wurde mehr geboten als erwartet. Das vielseitige Programm fügte sich in ein Ganzes und zeigte wie humorvoll Charles Dickens und die Finanzkrise sein können.

Nur die Geschichte um den kleinen Tim, den kranken Sohn von Scrooges Mitarbeiter Cratchit, sowie das Ende von Dickens Erzählung, die Pointe um die Veränderung von Ebenezer Scrooge, kamen leider zu kurz in der Inszenierung. Das war schade, denn gerade von diesem Finale lebt die Geschichte. Wenn die Show zwischenzeitlich etwas langatmig wirkte, wurde am Schluss geschnitten. Das war schade, täuscht aber nicht darüber hinweg, was diese Vorstellung war: einfach toll und empfehlenswert. Die Weihnachtszeit hat ihren Sinn gezeigt an diesem Abend: in fröhlichen Gesichtern.

Gans ganz anders 2008
Der Geist der Weihnacht / A Christmas Carol
mit: Andreas Guglielmetti, Isabel Hindersin, Olga Lomenko, Anne Osterloh, Torsten Spohn (Ersatz für Jürgen Assmann), Matthias Stein
Artisten: Duo Sleepless Night, Korbinian Gött, Luke Wilson, Duo Buzevestzky
Regie: Volker Insel
14. Dezember 2008, Spiegelpalast in der Kongresshalle Leipzig

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