Zwei Menschen im Regen machen einen Film ohne rechten Biss

Argentinische Filmtage die Erste: „Lluvia“

Es regnet, es regnet, Buenos Aires wird nass. Und mittendrin Alma (Valeria Bertuccelli), die mit ihrem vollgepackten Auto ziel- und ruhelos durch die Stadt fährt. Sie hat die Schnauze voll von ihrem bisherigen Leben. Außerdem steht sie gerade im Stau. Plötzlich taucht Roberto (Ernesto Alterio), der sich offensichtlich auf der Flucht in ihr Auto setzt. Er kommt aus Madrid und organisiert gerade die Abwicklung der Lebensreste seines ihm unbekannten Vaters.

Regisseurin Paula Hernández, die für Lluvia (Regen) ein Stipendium der Berlinale-Nachwuchsförderung einheimsen konnte, entspannt aus diesem Grundszenario dieser beiden wildfremden, aber bald emotional aufeinander angewiesenen Menschen ein klassisches Kammerspiel, das sie in die urbanen Weiten eines verregneten Buenos Aires platziert. Wie so oft geht es dabei um Geheimnisse, Lebensentwürfe und die Frage nach der Tragweite des eigenen Handelns. Dabei maßt sie sich allerdings nicht an, Antworten liefern zu wollen, selbst die beiden Protagonisten gehen kaum geläutert aus diesem Stimmungstief, haben sich am Ende aber doch irgendwie gefangen. Stattdessen lässt Hernández diese Fragen zusammen mit den beiden Hauptdarstellern durch die Sintfluten treiben.

Ein anderes Leben ist möglich, sicher, aber ein besseres auch? Letztendlich zählt nur, sich zu entscheiden und dabei hilft reden. Zumindest ein bisschen. So formulieren die beiden Lebensentwürfe, die aber geradewegs in Fußnoten zerlegt werden. Alma und Roberto bleiben bei alldem extrem zurückhaltend und in sich eingekapselt. In der Welt der bürgerlichen Psyche ist (fast) kein Platz für gelebte Emotionalität – noch dazu mit einem Fremden. Probleme werden im Kopf gemacht und dort auch entschieden. Die Welt stört dabei im Grunde nur. Selbst der kurze Moment des Exesses wird wohl kalkuliert und folgenlos ausgeführt, damit kein Riss in der Fassade bleibt, die das Innen vom Außen trennt. Wie der Regen perlt alles von ihr ab, der Austausch beschränkt sich geradezu auf die Ebene der Ideen.

Folgerichtig bleibt die Tragödie ebenso wie das undenkbare Happy End aus (das es hier tatsächlich nicht geben kann). Die damit einhergehende Entdramatisierung produziert zahlreiche Längen. Der Film plätschert manche Zeit dahin wie der allgegenwärtige und namensgebende Regen. Richtig Fahrt nimmt er nie auf, was durchaus ins künstlerische Konzept zu passen scheint, aber beim Zuschauer doch einen faden Nachgeschmack hinterlässt. Allerdings nicht bei allen, denn dieser Film errang nicht nur den zweiten Platz der Jurywertung, sondern auch den dritten Platz beim Zuschauerpreis. Dennoch wirken neben den zahlreichen Naheinstellungen gerade die Bilder der Glitzermetropole gegen Ende abgenutzt und unpassend. Es bleibt ein solides Stück Handwerk und der Versuch einer postmodernen Erzählung zurück, der irgendwie der Biss fehlt.

Lluvia

R: Paula Hernández
D: Ernesto Alterio, Valeria Bertuccelli
Argentinien 2008 – 110 min.

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