„Parzival – Die Burg des Fischerkönigs“

Mythische Psychohygiene im Theatrium Leipzig

In Aerobicformation bilden acht Akteure Sonne, Mond und Sterne, parallel ertönen innige Seufzer. Herzlich willkommen bei der heutigen Bewegungstherapie – die Patienten folgen den Anweisungen der Heilpraktikerin, die mit beständig verständnisvollem Lächeln, die Hände faltend, ihrem Karma Ausdruck verleiht. Sie befinden sich in der Jugendstrafanstalt Eschenbach, wo es sich drei Psychologen zur Aufgabe gemacht haben, ihre Patienten, allesamt Straftäter, in psychohygienischer Hinsicht gesellschaftsfähig zu machen und dysfunktionales Verhalten durch das Durchleben mythischer Stoffe zu bewältigen.

Auf einer weißen, sterilen Bühne mit dezenten Wandmalereien führen elf Jugendliche unter der Leitung von Larsen Sechert das Stück Parzival – Die Burg des Fischerkönigs auf. Das Jugendprojekt feierte am 3. April 2009 im Theatrium Premiere.

In Latzhose, Streifenshirt und Chucks gekleidete Patienten starren, nebeneinander aufgereiht, apathisch und lethargisch ins Publikum. Sie sind Insassen der Jugendstrafanstalt Eschenbach. Im Laufe des Abends schlüpfen sie in eine Vielzahl mythischer Figuren, deren Erlebnisse von einem Erzähler kommentiert werden. Die vom Leserpult aus verkündeten Geschichten und Abenteuersequenzen werden mittels treffender Gesten, wie zum Beispiel das Sinken des Helden in den Mutterschoß, und dem sparsamen, sehr ausdrucksvollen Einsatz der Requisiten in Szene gesetzt. Ein Laken verbindet eine Menschentraube, die, sich immer schneller drehend und eindringlich flüsternd, den Gedankensturm des Protagonisten Parzivals veranschaulicht.

Zwischen den Abenteuern Parzivals, in denen er Schwertkämpfe überstehen und sich vor einer Vielzahl an Verehrerinnen retten muss, werden immer wieder Sequenzen von Psychotherapiesitzungen gezeigt, die die emotionale Verarbeitung des eben vollzogenen Spiels thematisieren.

Durch das karikierende Spiel der jungen Akteure entstehen sehr amüsante Szenen, die durch die exakte Zeichnung von Typen an Kraft und Präsenz gewinnen. Besonders stark sind die drei Psychologen, die Klischees bedienen, aber nicht abgenutzt erscheinen. Die Cheftherapeutin stolziert zielgerichtet in kurzem Kittel mit strengem Dutt, Brille sowie High Heels akkurat und mit Klasse durch das Bühnengeschehen. Die Bewegungstherapeutin robbt ekstatisch über den Bühnenboden und wird von der Cheftherapeutin schroff mit dem Ausruf „Esoterikschlampe“ zurechtgewiesen.

Das Stück Parzival – Die Burg des Fischerkönigs veranschaulicht, dass grundlegende menschliche Beziehungsmuster, emotionale Irritationen und Probleme in den Mythen illustriert werden und im wiederholten Durchleben die Chance bieten, sich selbst zu erkennen und unpassendes, übersteigertes Verhalten zu ändern. Die ernste Thematik wird sehr authentisch und mit dem nötigen Augenzwinkern bewältigt, wodurch dem Zuschauer ein intensiver und individueller Zugang ermöglicht wird.

Parzival – Die Burg des Fischerkönigs
Regie: Larsen Sechert
Mit: Marie Förster, Michael F. Holland, Lisa Klabunde, Christian Mehlgarten, Josephine Mengel, Philipp Nerlich, Anne Rab, Livia Rathmann, Benjamin Schümichen, Anton Shakin & Philipp Wenke
www.theatrium-leipzig.de
Premiere: 3. April 2009, Theatrium

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