Frauen und Veranstaltungstechnik

Queer matters: Podiumsdiskussion zur Vertretung von Frauen im techniklastigen Kulturbetrieb

Am Freitag, dem 24. April 2009, fand die Auftaktveranstaltung einer 5-teiligen Reihe „queer matters – verdächtige Angelegenheiten“ in der Galerie für zeitgenössische Kunst, genauer im Paris Syndrom statt. Diese Diskussionsserie gilt als die theoretische Fundierung eines Projektes, das gezielt der Förderung von Geschlechtergleichstellung im sub- und soziokulturellen Veranstaltungsbetrieb dienen soll und zum überwiegenden Teil aus Workshops für Frauen, Mädchen und Transgendermenschen, aber auch aus offenen Seminaren und natürlich Partys besteht.

Die Besetzung des Podiums bestand in seiner ersten Auflage aus den VertreterInnen des Vorhabens von doitherself in Leipzig und den aus Potsdam eingeladenen InitiatorInnen des Vorläuferprojektes, welches – wie die meisten Initiativen – einen modern anmutenden englischen Titel trägt: electricdress. Dieselben berichteten zuerst über das Konzept ihrer vorangegangenen und der augenblicklichen Arbeit. Die zentralen Punkte, auf denen die Idee beruht, lassen sich demzufolge durch drei Säulen darstellen. Zum ersten geht es darum, eine freie und selbstbestimmte, vornehmlich linke Veranstaltungskultur zu entwickeln, die für alle Möglichkeiten und Räume öffnet und so die bestmögliche Entfaltung jedes Einzelnen zulässt. Da es eine solche Kultur, besonders bezüglich der stets stark unterrepräsentierten Menschen weiblichen Geschlechts, nur in Ansätzen gibt, ist es nicht schwer, schnell zur zweiten Säule und damit zum praktischen Teil des Unternehmens zu gelangen. Um dem Defizit entgegenzuwirken, veranstalteten die GründerInnen von electricdress seit 2007 in Potsdam viermonatige Kurse zum Thema Frauen im veranstaltungstechnischen Bereich, wobei die Betonung hier auf „technisch“ liegt. Die Workshops boten den Teilnehmerinnen nicht nur einen vorbehaltlosen Einstieg in zum Beispiel Ton- und Lichttechnik, sondern sie eigneten sich grundlegende Kenntnisse auf vorher scheinbar undurchschaubaren Gefilden an. Ausgestattet mit einem gewissen technischen Selbstverständnis bahnten sich die weiblichen DJs, VJs und andere den Weg zu der glücklichen Situation, dass sie nicht mehr der teils demütigenden Hilfe eines männlichen Kollegen bedurften, um den Zweck von Fader- oder Drehreglerfunktionen, Kabelsorten etc. zu kennen. Die dritte Säule im Potsdamer Programm schließlich steht für die fortwährende theoretische Reflexion über das, was eigentlich da gemacht wird, und umfasst zwar auch ganz praktische Themen, im Besonderen allerdings die immer wieder aktuelle Befragung und Hinterfragung queer/ feministischer Ansätze. Wie ist die Situation von Frauen im technischen Bereich? Welche Wege können eingeschlagen werden, um diesem unbefriedigenden Zustand entgegenzutreten? Welche Ergebnisse wurden erzielt? Was bringt das für eine praktisch-feministische Herangehensweise? etc.

In Leipzig startet das hiesige doitherself-Team jetzt eine ähnliche Initiative und bezieht sich dabei dezidiert auf electricdress. Es bietet Workshops zu den Themen Tontechnik, Lichttechnik, VJing, DJ_Vinyl, DJ_CD, DJ_Digital, Abelton, und Booking, aber auch für Türsteherinnen und Raumgestaltungsinteressierte gibt es etwas zu lernen. Neben Foren, Seminaren und Partys sind diese Kurse von Mai bis Juli das Kernstück des Projektes. Die MacherInnen haben bereits im Rahmen eines Projektes namens equalize den Frauentechnikproberaum im Conne Island eingerichtet, der seit Ende letzten Jahres existiert und seither nach eigenen Aussagen rege genutzt wird. Außerdem gab und gibt es in Leipzig und anderen Städten das so genannte „Ladyfest“, welches gleichfalls in der Diskussion vorgestellt wurden. Es bringt weibliche Bands und Künstlerinnen auf die Bühne, wie es seit vielen Jahren schon von der Frauenkultur angeboten wird. In der Hörerschaft der Podiumsdiskussion war die letztgenannte durch eine Mitstreiterin vertreten, die die Pläne von doitherself in Fortsetzung des electricdress-Konzeptes erwartungsgemäß begrüßte. Die meisten Besucher waren gleichfalls Besucherinnen, die sich lebhaft am Gespräch beteiligten und deren Bedarf an Frauenräumen, an der feministischen Debatte schlechthin und der Beschleunigung der eigentlich selbstverständlichen Partizipation von Frauen im Leipziger Kulturbetrieb sichtbar wurde. Die Frage, warum solche Projekte tatsächlich noch nötig sind und Frauen so schwer auf „normalem“, das heißt männlichem Weg auf veranstaltungstechnischem Gebiet Fuß fassen, stand vielfach im Raum. Man kommt dann immer wieder zur Erkenntnis der ungleichen Verteilung von Frauen und Männern vor allem im kommerziellen aber auch im nichtkommerziellen kulturtechnischen Bereich zurück und sieht dort die Notwendigkeit zum Handeln.

Die jetzt angebotenen Kurse und Veranstaltungen sind daher ein erster Schritt, um diesem de facto bestehenden Defizit weiter entgegenzuwirken. Es wird danach darauf ankommen die bestehenden Strukturen, die immer noch „männliche“ (das heißt vornehmlich in der männlichen Sozialisation begründete) sind, zu ändern. Das kann nach meiner Ansicht jedoch nur erreicht werden, wenn 1. genug Frauen in den Startlöchern stehen und dem vermeintlichen Argument, es gäbe keine qualitativ gleichwertigen weiblichen DJs, bei denen sicher im Vergleich zum Beispiel zu den Lichttechnikerinnen noch ein paar mehr auch professionell tätig sind, der Boden abgraben werden kann, und wenn 2. Frauen genug Selbstsicherheit haben, um in den Gremien der Clubs Einfluss zu üben, an Podien etc. teilzunehmen und ihr Anliegen zur Partizipation klar zu formulieren. Bevor sie das nicht tun, ändert sich vermutlich wenig.

Das Ziel eines solchen Projektes, wie doitherself es jetzt in Leipzig umsetzt, kann daher nur ein Strukturwandel sein. Darunter verstehe ich den Hierarchieabbau, der in männlich dominierten Bereichen zum Teil, besonders oft aber im Veranstaltungsbetrieb – und da noch mal speziell, wo es um die Technik geht – herrscht. Wir brauchen den Abbau eines Verhaltenskodexes des „sich Abcheckens“ und des Dominanzgebärdens, der es Frauen sichtlich schwermacht sich durchzusetzen und den verdienten Respekt entgegengebracht zu bekommen. Es muss daher auch nach den Seminaren, Workshops und Podiumsdiskussionen weitergehen und darauf hinauslaufen, dass eine Atmosphäre der gegenseitigen Toleranz und Anerkennung unabhängig von Geschlecht entstehen kann. Ideal wäre ein entspanntes hierarchieloses Miteinander, in der jeder jeden nach der Lösung technischer Probleme fragen kann, ohne dass von vornherein ein festes Verhältnis zwischen fragender Frau und antwortendem Mann besteht. Davon profitieren meiner Meinung nach mindestens genauso viele männliche Menschen wie weibliche sowie alle anderen! Und natürlich hab auch ich mir schon einen Kurs ausgesucht!

Queer matters – verdächtige Angelegenheiten

„electricdress bei doitherself in Leipzig“

Podiumsdiskussion zur Vertretung von Frauen im techniklastigen Kulturbetrieb

24. April 2009, Paris Syndrom – Café Neubau

http://doitherself.supergiro.de





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