Halbherziges Halbblut

Neu im Kino: „Harry Potter und der Halbblutprinz“

Welch beeindruckender Trailer! Der neue Film aus der Potter-Saga verspricht opulent zu werden, vielgestaltig, düster? und wie all seine Vorgänger natürlich nicht zuletzt überaus unterhaltsam. Mit diesen Erwartungen sieht man einen spannenden Film in London beginnen, der in den ersten Minuten durchaus hält, was er verspricht: Man rast mit den Augen der Totesser durch London, sieht die Fostersche Millenium Bridge durch den Einfluss der finsteren Mächte zusammensacken (übrigens auch im ganz echten London lange Zeit wegen statischer Probleme bekannt) und wird Zeuge einer rätselhaften Entführung in der Winkelgasse. Kurz darauf trifft man Harry (Daniel Radcliffe) gedankenversunken in einer Londoner U-Bahnstation und wird Zeuge eines Flirts zwischen ihm und einer Coffee-Shop-Bedienung. Sie verabreden sich sogar. Doch ehe es so weit kommen kann, taucht schon Dumbledore (Michael Gambon) auf und reißt Harry mit sich in ein englisches Provinznest, wo sie in einem verwüsteten Haus den ehemaligen Hogwarts-Professor Horace Slughorn (Jim Broadbent) in Form eines Sessels aufstöbern und überzeugen können, wieder an der Magieschule zu lehren. Wenige Sekunden später wird Harry bereits ins Haus der Weasleys teleportiert, wo natürlich ein großes Hallo herrscht und flugs sitzen die Teenies schon wieder im Zug nach Hogwarts, wo bereits wieder dieses und jenes geschieht.

Es wird gern „temporeich“ genannt, wenn ein Film innerhalb kürzester Zeit mit raschen Schnittfolgen zahlreiche Charaktere an immer neuen Settings durchs Bild schleust. Ein Tempo kann sich aber nur entwickeln, wenn es eine Handlung gibt, die man beschleunigen könnte. Nun hat die Potter-Saga den großen Vorteil, dass Charaktere nicht mehr eingeführt werden müssen, sondern man sie lediglich weiterentwickeln muss, was durch das Heranwachsen der Schauspieler jenseits der Leinwand nochmals erleichtert wird, da man in jedem Teil auch die körperliche und darstellerische Entwicklung der Mimen verfolgen kann, oder besser: sich jeweils mit einem neuen Status Quo konfrontiert sieht. In Harry Potter und der Halbblutprinz werden lediglich immer neue Teilstücke und ausschnittartige Szenen hintereinander geschnitten, die nur zu einem kleinen Teil im weiteren Verlauf des Films zusammengefügt werden und dramaturgischen Sinn ergeben. Und damit ist nicht gemeint, dass die Liebeleien und jugendlichen Verwirrungen durch die Rollenriege durchdekliniert werden – diese ergeben sogar ein durchaus sinnvolles Gegengewicht zum zweiten Handlungsstrang. Warum jedoch ausgerechnet auch in diesem ohnehin schon dicht gedrängten Film auch noch ein Quidditch-Turnier stattfinden muss, erschließt sich ebenso wenig wie die weihnachtliche Invasion der Totesser. Vielmehr hat man den Eindruck, dass zugunsten von Action und Effekten die behutsame Entwicklung der Handlung aus den Augen verloren wurde.

Sicherlich ist dieser weitere Teil in der Romanverfilmung ein actionreicher und vor allem von den Effekten her beeindruckender Film – und das soll auch weiter dazugehören. Auch an den darstellerischen Qualitäten ist kaum etwas auszusetzen, an den etwas braven, aber nicht ganz uncharmanten Humor hat man sich bereits gewöhnt. Allerdings folgt dieser Film mittlerweile ein wenig zu stark dem Gesetz der Serie, also dem Bedürfnis, von allen Fronten berichten zu wollen, ohne den Anspruch, ein eigenständiges und geschlossenes Ganzes zu sein. Für eine Fernsehserie mag dies angehen, für einen Film von 153 Minuten Länge grenzt dieses Verfahren an eine Zumutung. So wird über weite Strecken versäumt, eine Atmosphäre aufzubauen, die der Situation entspricht: Voldemort ist schließlich erst seit kurzem bewiesenermaßen noch am Leben, die Parallelwelt der Zauberer ist ständigen Angriffen ausgesetzt, Hogwarts befindet sich im Belagerungszustand durch die dunklen Mächte. Dies alles wird gezeigt, ja, sogar sehr oft und sehr aufwändig, aber es bleibt bei den visuellen Effekten und der Aneinanderreihung von Versatzstücken. Dadurch ist die jüngste Harry-Potter-Verfilmung in hohem Maße oberflächlich und enttäuschend, was schließlich in dem geradezu erzwungen hingerotztem Bekenntnis „Ich bin der Halbblutprinz“ seinen traurigen Höhe- und Endpunkt findet. Wahrscheinlich, um dem Film noch sein Namensrecht zu verleihen, da zwar ständig eine Halbblutprinzenrequisite im Film herumgeistert, aber letztlich nie klar wird (und offen bleibt), ob das nun irgendwie relevant ist oder wozu das gut sein soll. Einen wirklich interessanten Fortschritt stellt die Entwicklung des antagonistischen Draco Malfoy (Tom Felton) dar, dem erstmals eine charakterliche Mehrdimensionalität verliehen wird, die man ihm in seiner bloßen Gegenspielerrolle der vorangegangenen Filme nicht zugetraut hätte.

Am besten also wäre es, den nächsten Potter-Kinostart abzuwarten (in zwei Jahren dürfte es Mitte Juli wieder so weit sein), sich vorher auf DVD das Halbblut-Update zu laden und abzuwarten, ob der ganze Erzählwust dieses Teils vielleicht eine Auflösung findet.

Harry Potter und der Halbblutprinz

GB 2009, 153 min, R: David Yates, D: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Helena Bonham-Carter, Jim Broadbent

Kinostart: 16. Juli 2009

Ein Kommentar anzeigen

  1. 22. Juli 2009

    Und dass plötzlich Gandalf mitspielt ist keinem aufgefallen, oder? Ich fand das total surreal, als Dumbledings seine Mütze abgenommen hat und auf einmal 1:1 Gandlaf da stand…

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