DOK Leipzig: Impressionen vom Sonderprogramm „This is Africa“
This is Africa – unter diesem schlagkräftigen Motto flimmerten zahlreiche Filme über die Leipziger Kinoleinwände der vergangenen Dokwoche. Facettenreich dokumentieren sie den schwarzen Kontinent im Hier und Jetzt.
Darunter befand sich auch Night Lodgers (Hóspedes da Noite) vom portugiesischen Regisseur Licinio Azevedo. Darin führt die Kamera durch das Grande Hotel in der Stadt Beira, Mosambik. Zwei inzwischen in die Jahre gekommene ehemalige Angestellte wandeln durch den nur noch ruinösen Schatten eines einstigen, dekadenten Urlaubsressorts. Damals, in den 70er Jahren, so schwärmen die Männer auf ihrem Weg durch die marode Empfangshalle, pulsierte das fröhliche Leben im Grande Hotel, dem damals größten Hotel in Mosambik. Champagner floss und schwerreiche Weiße ließen sich von schwarzen Bediensteten rund um die Uhr verwöhnen. Dann, mit dem Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft, kam der Bürgerkrieg. 16 Jahre Gewalt, die das Land in das wirtschaftliche und humanitäre Chaos katapultierten. Doch die Menschen waren gezwungen, ihr Leben unter den miserablen Nachkriegsbedingungen fortzusetzen. Auch im Grande Hotel, in dem seit dem Zusammenbruch des Landes kein Wasser mehr fließt, Ratten durch die Gänge huschen und fehlende Geländer jeden Treppenaufgang zu einer tödlichen Falle machen. Nicht zu vergessen – der Hotelpool mit dem trüb-gammeligen Wasser, der die einzige Waschmöglichkeit bietet, wurde so manchem Betrunkenen schon zum Verhängnis. Hier leben bis heute, trotz alledem, 3.500 Menschen.Night Lodgers versucht, ihnen ein Gesicht zu verleihen, indem er Einzelnen Geschichten entlockt, um daraus einen stimmigen, farbenfrohen und auch sehr tragischen Teppich der Erinnerungen zu weben. Während der szenische Erzählrahmen mit den beiden ehemaligen Bediensteten den Zuschauer informativ und originell durch das Hotel geleitet, ist die gesamte Umsetzung nicht immer zufriedenstellend. Night Lodgers ist ein Film, bei dem man permanent das Gefühl hat, dass sein Potential nicht wirklich ausgeschöpft wurde. Die Geschichte ist durch ihren Ort stark, unkonventionell und symbolisch, die Dialoge leider zu offensichtlich inszeniert. Dadurch werden die Bewohner maskiert und die Chance verbaut, einen tatsächlich tiefschürfenden Einblick in das Geschehen rund um das Grande Hotel zu erhaschen. Doch zugleich gelingt es dem Film, eine erstaunliche Ordnung im Chaos zu dokumentieren: Die Kamera ist unter anderem bei mehreren Verhandlungen anwesend, in denen Rechtsstreits geklärt werden und begleitet die genau geregelten Tagesabläufe der Bewohner.
Anders als Night Lodgers schildert Malam Saguirou in The Gown of Time eine Geschichte von wirtschaftlichem Aufbau oder vielmehr dem schwierigen Versuch dort hin. Ousseini ist zum Oberhaupt der traditionellen Bruderschaft der Schlachter von Zinder, der zweitgrößten Stadt im Niger, gewählt worden. Ousseini hat eine Vision, die über den heimischen Schlachthof hinaus geht – Fleisch soll exportiert werden, zuerst nach Nigeria, dann in weitere afrikanische Staaten. The Gown of Time zeigt, wie schwierig dieses Unterfangen ist. Geldmittel sind kaum vorhanden, Partner lassen sich nur schwierig finden und die marode Infrastruktur tut ihr Übriges. Doch Ousseini bleibt ehrgeizig und so begleitet der Zuschauer den entschlossenen Mann zu einem rituellen Fest, auf dem Jungen durch den Kampf mit dem Stier zu Männern werden. Auch der hektische nigrische Fleischmarkt, der mit seiner Basar-Atmosphäre und den rohen Fleischbrocken einen harten Kontrast zur europäischen, fein sortierten Wursttheke im Supermarkt bildet, wird in diesem Zusammenhang beleuchtet. Doch auch dieser Film lotet nicht alle Möglichkeiten aus, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Zähe Geldgespräche auf ausgedehnten Konferenzen dominieren insbesondere in der zweiten Hälfte des Films das Geschehen und erwecken stellenweise den Eindruck, dass es sich eher um einen mit Handkamera aufgezeichneten Wirtschaftsbericht aus dem Niger als um einen Dokumentarfilm handelt.The Gown of Time und Night Lodgers haben Lust auf mehr gemacht. Darauf, Mosambik und Niger, zwei Länder, deren Geschichte so bewegend wie traumatisch ist, in ihrer Gegenwart besser kennen zu lernen!
52. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
Sonderprogramm „This is Africa“
Night Lodgers (Hóspedes da Noite), MZ 2007, 53 min, R: Licinio Azevedo, Portugiesisch, Creole mit englischen Untertiteln
The Gown of Time (La robe du temps), RN/FR 2008 – 52 min, R: Sagiurou Malam, Französisch, Hausa mit englischen Untertiteln
3. November 2009
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