Traumtänzelnd

Die Band Phantom Ghost erobert das Centraltheater

„I was thrown out of Drama School for being disobedient to the teacher who wanted me to act like I should. I was thrown out of Drama School for giving the finger to the teacher who wanted me to play my role correctly“, singt Dirk von Lowtzow und Thies Mynther spielt beschwingt leichte Musical-Melodien auf dem Flügel. In diesem Moment rückt alles scheinbar zusammen und weitet sich zugleich. Der Raum zwischen den beiden Künstlern, die allein auf der großen Bühne des Centraltheaters stehen, verschwindet gerade soweit, dass es noch knistern kann. Dazu gibt es die zur Perfektion kultivierten Gesten von Lowtzows (der bald eine neue Platte namens Schall und Wahn mit Tocotronic herausbringt), die absurd steif und grotesk manieriert sind. Das zahlreiche Publikum bejubelt verzückt das Geschehen auf der Bühne.

Die alternative Rolle hat Erfolg. Also geht die Reise musikalisch heiter weiter. Versponnen bleiben nur die Zitate, aber was erwartet man von Liedern für die Momente dazwischen; etwa für die letzten tänzelnden Schritte, bevor man in die Federn sinkt. Aus dem Reich der Mythen und Legenden schöpfte auch die Musik und Kleidung von Dillon. Für alle, die sich fragen, was eigentlich aus dem 20cm Keilabsatzschuh wurde, nachdem er Naomi Campbell bei der Vivienne-Westwood-Show in den 90ern zu Fall brachte, gab dieser Abend die Antwort: Man trägt sie zur Mini-Mönchskutte zum Klavierspielen. Womit wir wieder bei der Musik wären. Die Anfang-Zwanzig-Jährige Wahlberlinerin Dillon gab ein spannendes Vorprogramm. Zwischen kindlich und rauchig, gehaucht und schrill sang sie am Flügel ihre Popsongs wie your flesh against mine und contact us. Kanye Wests Bad News wurde gecovert bzw. adaptiert mit eigenem Text vorgetragen. Kommentar von Dillon: „Hätte er es nicht zuerst geschrieben, ich hätte das auch gekonnt.“ Nach theatralischem Blättern im Liederbuch und – warum auch immer – englischen Ansagen, gab es beim letzten Lied den Konzert-2.0-Heldenschlag. Erstens war das Lied ein Gedicht, es fehlte also die Melodie. Okay, Improvisation also. Die Tochter eines Komponisten hat übrigens im heimischen Wohnzimmer genauso angefangen zu spielen. Zweitens hatte das Lied einen Adressanten – soweit nichts Ungewöhnliches, schon viele Lieder wurden jemandem gewidmet, aber, dass die betreffende Person per Handy live dazu geschaltet wurde, sorgte dann doch für Staunen im Publikum. Einige dachten bestimmt auch an den alten Tocotronic-Song Die Idee Ist Gut, Doch Die Welt Noch Nicht Bereit:

Gestern um halb drei, habe ich noch ein Lied gemacht
und ich rufe eine Freundin an, mitten in der Nacht
und ich sing es ihr durchs Telefon und es sagt
‚Ich liebe dich‘, kurz bevor ich auflege,
schäme ich mich!

Und noch eine kleine Zeitreise: Vor sechs Jahren, es war ebenfalls November, da begeisterten die zwei von Phantom Ghost in der engen, verqualmten Ilse mit Elektropop. 2009, nachdem auch der letzte Rapper und Rocker Soundgefrickel für sich entdeckt hat, gibt es bei Phantom Ghost Akustik. Das Duo reduziert die Instrumentierung aller Stücke auch auf ihrem aktuellen Album Thrown Out Of Drama School auf (präpariertes) Klavier und Gesang. Dennoch, der Grundcharakter bleibt und so gibt es wie damals als letzte Zugabe You’re my mate (ursprünglich Seichtpop von Right Said Fred) in einer dem Original weit überlegenen Version. Und so ziehen die Indiefans mit einem Ohrwurm summend am Schauhaus vorbei und beenden so einen entzückenden Abend mit nicht geringen Maß an (Selbst-)Ironie.

Phantom Ghost

7. November 2009, Centraltheater

Zur Rezension von Phantom Ghost in Ilses Erika 2003


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