Kontroverse um Michael Faber

Offener Brief von Bürgern zu seiner Absage ans Centraltheater im „Kreuzer“

Die Dezemberausgabe des Leipzigmagazins „kreuzer“ enthält – der Länge nach – ein ausgiebiges Interview mit dem Leipziger Kulturbürgermeister Michael Faber, geführt von Johanna Lemke und Thyra Veyder-Malberg. Unter der Überschrift „Wer konserviert, verliert“ äußert er unter anderem, es hätte nie einen Boykottaufruf gegen seine Wahl seitens vieler Leipziger Kulturinstitutionen gegeben. Seine einst getätigte Aussage über die Freie Szene als eine Art Kompensationszelle für Randgruppen bezeichnete er als Verkürzung, wollte aber nicht erklären, wie er das denn im größeren Rahmen gemeint hat. Und zwischen den Zeilen springt hervor, dass er sie bis heute nicht als gleichwertig zur „Hochkultur“ erachtet. Über das Centraltheater und die Intendanz von Sebastian Hartmann sagte er: „Das Theater, das wir im Augenblick erleben, ist für diese Stadt nicht zukunftsfähig.“ Auf zweimalige Nachfrage zur Begründung dieses harten Urteils schwieg er. Dies nahmen drei Theatergänger zum Anlass, in einem offenen Brief Stellung zur Position des Kulturbürgermeisters zu beziehen. Diesen geben wir nachfolgend wieder – auch weil in der LVZ derzeit en masse Leserbriefe contra Hartmann/Centraltheater abgedruckt werden und einmal mehr eine öffentliche Diskussion aufgrund medialer Unwucht in Leipzig nicht stattfindet.


Szene aus Kirschgarten, © R.Arnold/CT

Pressemitteilung zum Interview von Leipzigs Kulturbürgermeister Michael Faber im „kreuzer“ vom 12.09.

Der „kreuzer“ bringt in seiner Dezemberausgabe ein Interview mit Michael Faber. Als Theatergänger kommt einem dieser Name bekannt vor. Nein, nicht aufgrund von kompetenten Äußerungen zum Theater, obwohl man sich erinnert, daß man den Mann auf der letzten Zuschauerkonferenz im Centraltheater gesehen hat.

Aber da war doch diese heiß diskutierte LVZ-Kritik zu Hartmanns Kirschgarten, die zitierte, daß Herr Faber angesichts des sich abzeichnenden Endes der Premierenvorstellung erleichtert aufgestöhnt hätte: „Na, Gott sei Dank.“ Ich selbst war von dem Abend begeistert und habe das Stück auch schon ein zweites Mal im wahrsten Sinne des Wortes genossen. Aber wenn man die sehr kontroversen Kritiken gelesen hat, weiß man, daß diese Aufführung sowohl bejubelt als auch verdammt wird. Schon allein, daß diese Aufmerksamkeit und Diskussion erregt wird, spricht für das Centraltheater. Aber trotzdem kann ich es auch tolerieren, wenn ein Besucher nach vier durchaus nicht leicht verdaulichen Stunden einen derartigen Stoßseufzer von sich gibt. Ein normaler Besucher wohlgemerkt, aber, und jetzt wird es interessant, Herr Faber ist Kulturbürgermeister der Stadt Leipzig! Meines Wissens ist die Wiedergabe dieser Äußerung in der LVZ von seiner Seite unwidersprochen geblieben, und das ist der eigentliche kulturpolitische Skandal. Doch wenn man nun das Kreuzer-Interview liest, bekommt man den Eindruck, Herrn Faber scheinen derartige Skandale zu gefallen. Ich möchte jetzt nicht weiter kommentieren, daß er eine Frage zur Finanzierung der Freien Szene mit Schweigen beantwortet, was weder von Kompetenz noch von Gesprächsbereitschaft zeugt. Dann aber kommt die Rede aufs Centraltheater, und Herr Faber meint dazu, das wäre „für die Stadt nicht zukunftsfähig“. Eine Aussage, die er dann aber trotz zweimaliger Nachfrage nicht begründen kann. (Nebenbei bemerkt: Ein schlechtes Omen für seine eigene Zukunftsfähigkeit?) Auch der Rest des Interviews ist sehr widersprüchlich und in seiner Gesamtheit nicht stimmig. Herr Faber meint, er wäre erst seit fünf Monaten im Amt und müsse die Entwicklungen der Häuser beobachten. Meines Wissens führt Herr Faber seit Jahren zusammen mit seinem Vater einen in Leipzig ansässigen Verlag (dessen Bücher ich im übrigen sehr schätze), man sollte also annehmen, daß er auch seit längerem in Leipzig wohnt. Was soll man davon halten, wenn jemand Kulturbürgermeister von Leipzig wird, aber nach eigener Aussage die Entwicklung des Centraltheaters vor Amtsantritt offensichtlich nicht verfolgt hat? Und dann aber trotzdem mit der knallharten Äußerung an die Öffentlichkeit tritt, dieses Theater wäre nicht zukunftsfähig? Ich will nicht in die Kerbe hauen, daß Hartmann Theater für junge Leute mache, weil ich selbst nicht mehr der Jüngste bin und auch Leute im Rentenalter kenne, die von diesem Theater begeistert sind. Trotzdem: Schaut man sich das durchschnittliche Alter der Besucher heute und zu Zeiten der Intendanz von Wolfgang Engel an, so ist die Frage, was zukunftsfähiger ist, schnell beantwortet. Sehr peinlich ist es wohl auch für die Partei Die Linke, die Herrn Faber mitgewählt hat, daß dieser ein dezidiert gesellschaftskritisches Theater als nicht zukunftsfähig bezeichnet. „Was morgen klassisch ist, ist heute Avantgarde“ meint Herr Faber. Seine Fähigkeit, Avantgarde zu erkennen, wage ich zu bezweifeln.

(Thomas Pannicke, Biologe)

Die jüngsten Äußerungen von Leipzigs Kulturbürgermeister Michael Faber im aktuellen „Kreuzer“ bezogen auf das Centraltheater Leipzig befremden mich so stark, daß ich die Gelegenheit nutzen möchte, mich zu äußern.

Mit der Behauptung – „dieses Theater habe keine Zukunft“ – disqualifiziert sich meines Erachtens Herr Faber hinsichtlich mehrerer für dieses Amt erforderlicher Eigenschaften. Nicht zuletzt mit dieser Bemerkung verdichten sich die Hinweise, daß für seinen Amtsvorgänger, den „ewigen“ Dr. Georg Girardet, der eine starke Verwaltung mit gehörigem Einfluss, eine Menge Baustellen und einen Nimbus – den des ausgleichenden, beschwichtigenden und vermittelnden Kulturchefs Leipzigs, meist engagiert, manchmal ohne Einfluss, aber immer freundlich – hinterlassen hat, immer noch kein geeigneter Nachfolger gefunden ist. Dies ist deshalb von Bedeutung, da aufgrund der Haushaltslage der Stadt Leipzig und der allgemeinen Wirtschaftssituation Kulturetatkürzungen nach menschlichem Ermessen unausweichlich werden. Aufgrund der einzigartigen Finanzierungssituation der Kultureinrichtungen in Sachsen, geregelt durch das Kulturraumgesetz, das neben der Kommune auch umliegende Gemeinden und den Freistaat einbindet, sind neben den kommunalen Verantwortungsträgern auch die maßgeblichen Personen in den Gemeinden und im Land gefordert. Insbesondere möchte ich die Theatergänger Michael Weichert und Sven Morlok, Landtagsabgeordnete der Grünen und der FDP, ermuntern, ihren Einfluss auf künftige Entscheidungen positiv zu nutzen. Für das Leipziger Centraltheater unter der Intendanz von Sebastian Hartmann sehen viele Leipziger und von außerhalb Angereiste im Gegensatz zu Herrn Faber eine großartige Zukunft voraus und ziehen den Hut vor schon jetzt Geleistetem.

(Thoralf Becker, Wirtschaftsingenieur)

Ich gehe über 40 Jahre ins Theater, habe noch nie so ein spannendes Jahr erlebt wie letztes im Centraltheater und lasse mir dieses Theater nicht kaputtmachen. Ich bitte Herrn Faber, zurückzutreten.

(Werner Mattke, Betriebswirt und Fachkraft für Galvanisierungstechnik)


Auch der Autor Jens Kassner beschäftigt sich mit der Causa Faber. Zu seinem Blog geht’s hier.

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