Blümchensex

„Herbarium amoris“ zeigt – angelehnt an Linnés „Blühkalender“ – Blüten im Lauf der Jahreszeiten

Doch haben wir dir vorgeschlagen,
den Blütenkelch bis an den Rand zu füllen.
Begeistert warst du, diesen Kunstgriff
In deinem Überfluß zu wagen.
Fühltest dich reich, um hundertmal
Du selbst zu sein aus einer Blume;
Hingegen wie die Liebende …
Hast aber nie an anderes gedacht.

Rainer Maria Rilke: Die Rosen, IV

Blumen und Fotografie haben – seit Erfindung der Lichtmalerei – eine, sagen wir: ästhetisch sehr fruchtbare Verbindung. Man denke nur an Robert Mapplethorpes (1946-1989) höchst artifizielle Inszenierungen von Blumenkelchen, die eine kühl-distanzierte Erotik ausstrahlen, oder an Karl Blossfeldts (1865-1934) genauen Blick, mit dem er Details wie Knospen und Dolden abbildete. Auch der schwedische Fotograf Edvard Koinberg ist von floralen Motiven fasziniert und präsentiert in einem prächtigen Fotoband luzide Arbeiten.

Sein Herbarium Amoris ist von Carl von Linnés (1707-1778) Blühkalender Calendarium Florae inspiriert, der den Jahresszyklus der Flora anhand ihrer Blütezeit zeigt. Der schwedische Naturwissenschaftler legte den Grundstein für die moderne biologische Systematik, als er begann, die Pflanzen als sexuelle Wesen wahrzunehmen und dementsprechend zu taxonomieren. Er ordnete sie nach ihren Sexualorganen, den Staubgefäßen und dem Stempel. Sein Ordnungssystem wurde später als Linnésches Systems nach ihm benannt.

Der Fotoband zeigt die jahreszeitliche Blütenfolge, den Reigen innerhalb der zwölf Monate von der „auflebenden Knospung“ bis zum „sich einigenden Wintermonat“. Ein einführender Text von Henning Mankel gibt die Vita Linnés wieder, Tore Frängsmyr steuert eine systematische Betrachtung bei. In Koinbergs Fotos bricht sich eine intensive Liebe zum Floralen ihre Bahn. Der Hintergrund ist tiefes Schwarz: Ganz allein die jeweilige Blüte steht im Vordergrund. Beeindruckende Details kommen in diesen Makroaufnahmen zum Vorschein. Die 162 dargestellten Pflanzen stammen überwiegend aus der Landschaft von Uppland, wo auch Linné als Professor in Uppsala wirkte. Duftender Lavendel ist da zu sehen, zarter Islandmohn und die gelb-roten Blüten der Kapuzinerkresse recken sich ins Licht und auch die schrumpelige Hagebuttenbucht der Weinrose gibt sich fotogen. Selbst ein Tier wird auf den floralen, intimen wie interessanten Sexfotos festgehalten: Ein kleines weißes Spinnlein krabbelt am Halskragen eines vor kräftigem Rot strotzenden Türkischen Mohns entlang.

Edvard Koinberg: Herbarium Amoris. Das Liebesleben der Pflanzen
Taschen
Köln 2009
280 S. – 29,99 €
http://www.taschen.com


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.