Herbert Fritsch inszeniert am Centraltheater „Oscar. Ein Missverständnis in drei Akten“
Nonsens ist der Sieg des Geistes über die Vernunft.
anonym
Alles, bloß kein Mittelmaß: Man muss dick aufgetragenen, Nonsens schon mögen, um beim Boulevardstück Oscar auf seine Kosten zu kommen. Wenn es der Zuschauerin allerdings gelingt, ihr intellektuelles Visier abzunehmen, sich anzulehnen und ganz auf das Bühnengeschehen einzulassen, dann kann sie was erleben.
Eingerahmt in eine psychedelische Vorhalle aus den 70ern und mit blau-rot-rosa Stoffbahnen abgehangen, thront am hinteren Bühnenende ein gelbes Sofa. Darauf und darum dreht sich das ganze Geschehen, wenn seine Kissen nicht gerade im Raum verteilt werden. Die vorgetragene Geschichte der Irrungen ist rasch zusammengefasst: Der Seifenhersteller Bertrand Barnier wird eines schönen Tages von seinem Angestellten Christian Martin mit der Bitte nach einer Gehaltserhöhung besucht. Im Laufe der zähen Verhandlungen gesteht Martin die Unterschlagung von Firmengeldern und hält schließlich um die Hand von Barniers Tochter an. Ihr Referenzproblem nicht erahnend, werden sich beide einig. Das hin und her reißende Verwirrspiel des Drei-Akters kann beginnen. Da werden Töchter und Koffer am Stück vertauscht und um Schmuck, Geld und Damenunterwäsche gerungen. Es folgen wilde Wortwechsel und manische Rasereien auf kurze Augenblicke des Aufatmens, wenn alle Konflikte aus der Welt scheinen. Doch hinter jeder kurzen Konsens-Pause lauert schon der nächste Streitpunkt. Sinnfreie Rastlosigkeit ist der Grundzug dieser Inszenierung. Dabei wird sich bewusst fern gehalten vom filmischen Original, keine Reminiszenz an den Großmeister des filmischen Unsinns Louis de Funès ist zu erkennen. Das mögen einige ZuschauerInnnen bemängeln, macht die Produktion allerdings eigenständig.
So braucht Hans Schenker die Anlehnung an de Funès nicht, um einen hübsch hyperventilierenden Vater zu geben, der zwischen Cholerik und Hysterie oszillierend vor nicht unzusammenhängenden Wortkaskaden sprüht. Ein entzückendes Stubenmädchen entwirft Janine Kreß als Bernadette, die stoisch alle Anwandlungen im Haus Barnier erträgt und das Material für Geschirrschlachten herankarrt. Und Thomas Lawinky alias Masseur Philippe kann es mal wieder nicht lassen: Als überaus geschniegelter Beau wirkt er – ganz in Weiß – mit einem blonden Strauß auf dem Kopf absolut lächerlich. Wenn er die Sektkorken knallen lässt, bleibt nicht jeder in den ersten Sitzreihen trocken. Dafür hat man fast Mitleid, als er, von Barniers Tochter Colette malträtiert, liebeswütig wird und sich zum Beispiel in seinen Brustwarzen verkrallt. Henrike von Kuik gibt diese großartig als rotzfreche Göre, angelegt zwischen der Terror-Tochter Gabi Klimbim und Tiny Toons Elmyra, die alle Tiere zu Tode knuddelt. Und Sarah Sandeh ist als traumtanzende Eso-Tussi Jaquceline Bouillon, der Auslöser aller Verwechslungen, erschröcklich entzückend, wenn sie wie ein Eurythmie-besessener Schmetterling den Bühnenraum durchflattert und von der großen Liebe schwärmt.
Das Ganze gipfelt im komplett überdrehten Finale, in welchem das ganze Ensemble den Geist vollends aufgibt. Dass selbst der Abgang noch durchinszeniert ist und alle wie gaga zum Blödelhit »Ein Bett im Kornfeld« über die Bühne zuckeln und hampeln, ist hier nur völlig konsequent. Man muss das nicht mögen, dann aber die Inszenierung unbedingt meiden. Wen Nonsense und Trash nicht abtörnen, der wird sich mächtig gewaltig amüsieren.
Claude Magnier: Oscar. Ein Missverständnis in drei Akten
R: Herbert Fritsch
Mit: Janine Kreß, Thomas Lawinky, Paul Matzke, Emma Rönnebeck, Sarah Sandeh, Hans Schenker, Holger Stockhaus, Barbara Trommer, Henrike von Kuick
Premiere: 9. April 2010
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