Boom der Genderkritik

Ein Mashup über 24 Stunden getanzte Vielfalt und reichlich Queer-Diskurs in Leipzig

Performance-Projekt Men (Foto: PR)

This is the beginning people, of a huge revolution! Dance/disco/queerness. Bring it back people. Cut your jeans into short ass shorts. Wear a tank top and just f—–g dance. For feeling it sake!
JD Samson

JD Samson und Johanna Fateman schrieben einst mit dem Elektro-Punk-Trio Le Tigre Musikgeschichte. Ihr Credo: „Hot topic is the way that we rhyme.“ Jetzt sind sie mit ihrem Performance-Projekt Men unterwegs. Genauer gesagt stehen neben JD nun Michael O’Neill (Ladybug Transistor) und Ginger Brooks Takahashi (The Ballet) auf der Bühne im Conne Island, während sich Emily Roysdon und Johanna Fateman als Produzentinnen und Künstlerinnen im Hintergrund und damit in New York aufhalten. Überraschenderweise bleibt der Performance-Anteil vergleichsweise zurückhaltend. Highlight ist nicht die Do-it-yourself-Bastelei in Form einer riesigen Gabel, sondern eindeutig JDs Gestik, die tanztechnisch irgendwo zwischen 50 Cent und David Byrne von den Talking Heads variiert. Apropos Mashup: Das muntere mixen passiert natürlich auch auf der musikalischen Ebene. Es bleibt aber trotz experimentellen und komplexen Melodieverläufen immer tanzbar.

Die Steigerungsform von tanzbar muss allerdings noch schnell erfunden werden für die Vorband des Abends, das Elektro-Pop-Trio aus London namens We Have Band. Das britische Szeneorakel Nme, brachte es wie folgt auf den Punkt: „They got band. We found heroes.“ Zumindest für Konzertbesucher hat die momentane Unverkäuflichkeit von Musik, doch ihr Gutes: Live sieht man immer mehr sehr gut eingespielte Bands, zu denen We Have Band eindeutig gehören. Ihre basslastigen Discobeats erinnern an Hot Chip oder Bloc Party. Ihre Zugabe – ein Cover von „West End Girls“ der Pet Shop Boys – verdeutlicht, dass sie einfachen und treibenden Elektropop zugetan sind. Die manchmal kargen, vorwärts treibenden Rhythmen und mitsingfreundlichen Refrains wie „We’re all devisive. You take me out this way, you take me out…“ werden immer wieder spielerisch gebrochen. Mal pfeifen alle drei einen Part und bei „honey trap“ wird der gefühlsbetonte Gesang von Darren Bancroft von den ruppigen Kommandos „Rejoice! / Line up! / Clap hands!“ der Co-Sängerin Dede WP ans Publikum unterbrochen. Für alle, die umsonst auf dem Merchandise-Tisch nach Musikdatenträgern gesucht haben, gibt es eine gute Nachricht: Nach etlichen Tourneen, hübsch animierten Musikvideos und im Internet kursierenden Singles (zum Beispiel honey trap ) erschien gestern ihr Debütalbum WHB beim französischen Label Kitsuné.

Elektro-Pop-Trio We Have Band (Foto: PR)

Fazit des Abends: Die Befreiung des Körpers von starren Rollen durch gemeinsames Tanzen macht Spaß und funktioniert erstaunlich gut. Selbst nachdem die Bands durch waren, bewegte sich das buntgemischte Publikum ganz entspannt weiter zum Sound von Zacker und Claire am DJ-Pult. Also gibt es gleich am nächsten Abend mehr Queer. Diesmal allerdings weniger praxisorientiert: Wie jeden Donnerstag um 19 Uhr einen Vortrag aus der GenderKritik-Reihe. Der Hörsaal im Geisteswissenschaftlichen Zentrum (GWZ) ist brechend voll, der Eintritt frei und das Forschungsgebiet vergleichsweise jung, interdisziplinär und damit hip. „MonoPoly: Monogamie-Norm und Polyamory auf dem Spielfeld der Besitzansprüche, Treue und des Bekanntgehens“, so der Titel, den das Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (FraGes) an der Universität Leipzig geschickt gewählt hat. Dieses Mal stellen NachwuchswissenschaftlerInnen aus Hamburg ihre Forschungsprojekte vor. Den Anfang macht Diplom-Soziologin Gesa Mayer, die derzeit an ihrem Dissertationsprojekt zum Thema normative Monogamie arbeitet. Sie erzählt von christlicher Norm, romantischen Idealen und warum zwei Partner oft auch Hetero-Normativität bedeuten. Das alles spickt sie mit Zitaten aus Treue-Ratgebern, was den Vortrag zwar etwas auflockert, aber auch sehr tendenziös macht. Nach ihr referiert Robin Bauer über nicht-monogame Lebensweisen insbesondere in Verbindung mit Transgenderism und BDSM. Er lehrt Gender & Queer Studies an der Universität Hamburg. Das Publikum interessiert sich in der Fragerunde eher für Probleme der praktischen Umsetzung und so werden die Referenten ironischer Weise selbst in die Ratgeberecke gedrängt. Es gibt aber auch Fragen zur politischen Dimension von Beziehungen. Immerhin war 1968 der Ruf nach freier Liebe stark gesellschaftskritisch motiviert. Ist die aktuelle Netzwerkliebe der Polyamoristen nun kapitalismusfeindlich oder Hyper-Neoliberalismus? Fest steht: Über Beziehungsstrukturen wird diskutiert.

We Have Band / Men

21. April 2010, Conne Island


Vortrag MonoPoly

Aus der Vortragsreihe GENDER-KRITIK 2010: „MonoPoly: Monogamie-Norm und Polyamory auf dem Spielfeld der Besitzansprüche, Treue und des Bekanntgehens“

22. April 2010, Geisteswissenschaftliches Zentrum, Universität Leipzig

Vortragsreihe

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