Wenn sich die Wege wieder kreuzen: Eine subjektive Kunde von Subway to Sallys Tour Nackt II
But the raven, sitting lonely on the placid bust, spoke only
That one word, as if his soul in that one word he did outpour.
Nothing further then he uttered — not a feather then he fluttered –
Till I scarcely more than muttered „Other friends have flown before –
On the morrow he will leave me, as my hopes have flown before.“
Quoth the raven „Nevermore.“
Edgar Allan Poe: The Raven
Nimmermehr – Manchmal entwickeln sich zwei langjährige Weggefährten auseinander. Das ist bei amourösen Freundschaften genauso der Fall wie bei musikalischen Lieben. Irgendwann also beschlossen der Autor und die Potsdamer Mittelalterrock-Band Subway to Sally, getrennte Wege zu gehen. Kriselte es im Hörgenuss schon vorher leicht, so war mit Engelskrieger einfach nichts mehr anzufangen. Plump, brachial, ohne das gewohnte lyrische Element, brach sich hier der Wille zur großen Show seine Bahn.
weil ich schon längst vergessen bin / singt man mir keine Lieder / nur Unkraut grünt und blüht auf jedem Feld
Was hatte man für schöne gemeinsame Zeiten erlebt: Etwa im Bannkreis mit Subway to Sally live ein Sylvester verbracht, wurde von Songs um Narren der Königin, Tagen der Rache und Liebeszauber auf allerlei Reisen aus dem Autoradio begleitet. Wer hätte nicht mal nach Carrickfergus über das Wasser gehen wollen? Man hat den Schrei! zusammen gestaltet, auf Gott weiß wie vielen Burgen und Spelunkenböden gefeiert und schon im Veitstanz gekreiselt, bevor es den Song gab:
Alles dreht sich um mich her / die Welt versinkt im Farbenmeer / wenn ich tanze.
Und täglich haben wir dem Teufel in uns „Guten Tag“ gesagt. Allerlei Fragen sind geblieben. Wo denn wohnt die Herrin des Feuers? Warum steht im Booklet zu „Unterm Galgen“ nicht, dass der Text in groben Zügen einem Jugendgedicht Nietzsches entnommen ist? Welches gotische Rundfenster ziert nicht nur das Plattencover von MCMXCV? Und was ist mit dem Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten: „Zwischen Tod und ewig Leben / muss es etwas Drittes geben…“
Nun also spielten die Helden meiner Jugend im Werk II auf – und wischten alle Skepsis und Zurückhaltung mit einer leichten Bewegung vom Tisch. Neun Musiker gruppieren sich um ein knorriges Baumrudiment und spielen die alten Lieder und manch neue, unbekanntere Melodie ganz im Verzicht auf elektronische Instrumente. Mit Drehleier, Schalmei & Co. lassen sie über zweieinhalb Stunden die Faszination alter Tage, das Phänomen Subway to Sally an diesem Abend wieder aufleben – und versöhnen nach einem harten Bruch, einer vielleicht allzu abrupten Trennung. Danke!
Gefunden, verschwunden, betrunken, versunken
Gegangen, gefangen, geboren, verloren
Ich hab keinen Glauben, ich hab nur mein Lied
Ach ich bin von dieser Welt so müd
Subway to Sally Nackt II
24. April 2010, Werk II
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