Filter in Zeiten der Reizüberflutung

The Books führen Musik und Video zum Gesamtkunstwerk zusammen

The Books (Fotos: R.Arnold/Centraltheater)

Diesen Abend als ein Konzert anzukündigen ist zu kurz gegriffen: The Books präsentieren, wie Musik und Video zu einem schlüssigen Gesamtkonzept verwoben werden können. Mit ihren bisherigen vier Alben hat sich das Duo aus Brooklyn, New York, in die Herzen der Musikkritiker gespielt. Einen größeren kommerziellen Erfolg hatte trotz ihres 10-jährigen Bestehens nur der Dark was the night-Sampler, wofür sie eine Kooperation mit José Gonzales beisteuerten. Ende Juli ist in Deutschland ihr fünftes Werk The Way Out erschienen.

Das Besondere an einem Auftritt von The Books ist, dass ihre Stücke nicht für sich alleine stehen, sondern von einer Videocollage untermalt werden. Dafür verwenden sie analoges Material, das sie auf Flohmärkten und in Läden der Heilsarmee erstehen. So flimmern neben Ratgebern zur Selbsthypnose oder zur Gänsejagd, Schulvideos aus dem Biologie-Unterricht, oder alte Spielfilme aus den 30er Jahren auf der Leinwand. Aber auch digitale Videoschnipsel aus den Weiten des Internets haben Einzug in ihre Collagen gefunden. Nicht einmal vor den privaten Aufzeichnungen der eigenen Familie machen sie halt. Abgerundet wird dies durch vereinzelte Einblendungen der Texte, die in aufwendig konzipierter Typographie gesetzt sind.

Die Collagen sind nie ohne Konzept zusammengestückelt, sondern folgen stets einem roten Faden. Im Mittelpunkt stehen Menschen und ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Bei „A Cold Freezing Night“ bleibt einem das Lachen im Halse stecken, wenn Tonschnipsel von Kindern zu hören sind, die Pläne schmieden, wie sie sich an ungeliebten Menschen rächen wollen. Nach dem Konzert darauf angesprochen, beschreiben The Books ihre Arbeit wie einen Filter, der aus der Flut an Materialen, die heute zur Verfügung steht, eine Auswahl trifft und dabei in Bezug zueinander stellt.

Obwohl das sehr theoretisch anmuten mag, wird das Publikum nie gezwungen, sich auf die tiefere Ebene zu bewegen. Man kann sich auch im Sessel zurücklehnen und entspannt der Musik lauschen. Diese ist geprägt durch das Gespür für schöne Melodien und der sanften Stimme von Nick Zammuto, der zwischen akustischer und elektronischer Gitarre wechselt. Der Zweite im Bunde, Paul de Jong, steuert Gitarren und E-Cello bei. Darunter legen The Books unaufgeregte Elektronika, die an ruhige Momente der Weilheimer Schule um The Notwist und Lali Puna erinnern.

Auch in ihrer Musik bleiben The Books der Collage treu und arrangieren in diesen konventionellen Klang aus Gesang, Elektronika und Instrumente allerlei Stimmensamples, die sie über die Jahre angesammelt haben. Beispielsweise findet sich an diesem Abend die Ansage einer Flugzeuglandung in Tokyo („Tokio“) oder italienische Ausschnitte aus Passolinis Medea („Take Time“). Bezeichnend für ihren Stil ist „Smells Like Content“, in dem Nick Zammuto besprochene Kassetten seines Bruders als Material verwendet. Hier werden aus mehreren Stunden Aufnahme nur wenige Sätze extrahiert, die in ihrer Reduktion einen gekonnten Schlusspunkt zum Inhalt der gesungenen Passagen bilden. So ist es die große Kunst von The Books, dass die einzelnen Fäden nie alleine im Raum stehen, sondern sich zu einem stimmigen Klangteppich fügen.

Durch ihr sympathisches Auftreten verlieren The Books trotz der komplexen Strukturen nie den Bezug zu ihrem Publikum. Als Zugabe spielen sie einen Song, den Nick Zammuto für seinen Sohn geschrieben hat, um ihm die Buchstaben des Alphabetes zu erklären. Und das Herz der Leipziger erobern sie durch ihre Verehrung für Johann Sebastian Bach: Aus dem Museumsladen haben sie zwei Miniaturdrehorgeln erstanden, die sie mit kindlicher Begeisterung vorführen.

The Books

25. Mai 2010, Centraltheater


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.