Willkommen in der Weißheit

Die Performance „Invisible Empire“ am Centraltheater Leipzig setzt sich mit Kritischer Weißseinsforschung auseinander und bringt das Thema auf den Punkt

Der Ku-Klux-Klan lässt grüßen (Fotos: R.Arnold/Centraltheater)

Acht Männer sitzen um einen Tisch. Von weiter Ferne und durch eine Glasscheibe getrennt, können die Theatergäste dabei zusehen, wie sie bestenfalls ein wenig Unfug anstellen. Die meiste Zeit aber trinken sie Kaffee aus Pappbechern, tragen dabei Sonnenbrillen und schlagen Zeit tot. Herzlich Willkommen bei der 33. Leipziger Völkerschau. Während aber bei den Vorgängerschauen, die bis in die 1940er Jahre in Deutschland stattfanden, vor allem Afrikaner, amerikanische Ureinwohner oder auch Inuit temporär in Zoos lebten, sind es diesmal weiße Männer, die sich dem Interesse der Öffentlichkeit zur Schau stellen. Das Ziel: Weiße Privilegien aufzeigen, über die ansonsten keine Worte verloren werden, da sie von der (weißen) Mehrheitsbevölkerung als selbstverständlich hingenommen werden.

Denn der „Weiße“ ist nicht nur ein ästhetisches Phänomen, sondern markiert ein gesellschaftliches Machtsystems, das entsprechend für Aus- und Einschlüsse sorgt. Dabei wird das spezifisch Weiße daran nicht thematisiert. So sieht es die Kritische Weißseinsforschung, die, aus den USA kommend, mittlerweile auch in Deutschland Fuß gefasst hat. Danach sieht sich der Weiße (wobei es auch die Weiße sein kann) als den puren Universalismus, weswegen eine Diskussion über den eigenen weißen Status nicht nötig sei. Die Kritische Weißseinsforschung sieht dies anders. Die zumeist schwarzen WissenschaftlerInnen möchten, die dem Weißsein innewohnenden Privilegien sichtbar machen, wobei sie betonen, dass weiß und schwarz keine biologistischen, sondern vor allem soziale Kategorien darstellen.

Daraus haben das Leipziger Theaterhaus Skala, die schwedische Gruppe Institutet und die franzöische Compagnie Irmar ihre Performance Invisible Empire gemacht, die noch bis zum 18. September täglich im Weißen Haus des Leipziger Centraltheaters zu sehen ist. Angesichts der Überkomplexität des Themas haben sich die MacherInnen für unterschiedliche Ansätze entschieden. Einer ist die Völkerschau, jeden Tag von 14:00 bis 20:08 Uhr zu begaffen.

Der zweite Teil gewährt Zugang zu diesem unsichtbaren weißen Empire. Basierend auf dem Ku-Klux-Klan-Leitfaden Kloran werden die ZuschauerInnen zunächst in einer Parodie desselben aufgenommen in den erlesenen Kreis der unsichtbaren Weißen. In dem folgenden minutiös durchgestylten Ritual werden die BesucherInnen zu AkteurInnen und in ihre Weißheit und die damit verbunden unsichtbaren Privilegien eingeführt. Statt Fackeln gibt es Kassettenrecorder und mit diesen geht es um ein Lagerfeuer aus Neon-Röhren in die neue weiße Lebensphase. Dabei unterläuft dieses Ritual meisterlich die eigentliche Grundlage der unsichtbaren Privilegien, denn deren permanente Nennung während der fünf Ritualphasen sorgt genau für jene Sichtbarkeit, welche die kritischen WeißseinsforscherInnen einfordern und die auch in einer begleitenden Vortragsreihe zu Worte kommen. Im letzten Teil gelingt es, die komplexe Theorie auf eine handhabbare Ästhetik herunter zu brechen, um den Kern so zu präsentieren, dass er auch ohne poststrukturalistische Vorkenntnisse erfahrbar wird. Und danach ist After-Show-Party. Jedes Mal.

The Invisible Empire – Im Reich der Weißen Sichtbarkeit

3.-19. September 2010, tgl. 14- 22 Uhr, Weißes Haus

www.schauspiel-leipzig.de/invisibleempire

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