Oh Augenblick, verweile doch

Der Kampf um Britneys Seele im LOFFT oder auch: Der Tanz mit dem Rasiergerät. Theaterkosmos53 zeigt mit „Britney Britney“ einen Teufelspakt der besonderen Art

„Faust“ mal anders (Fotos: Olga Baczynska)

Drei kurz, drei lang, drei kurz. Das grelle Licht einer Taschenlampe blendet den Zuschauer. Britney sitzt am Boden und funkt leise ihren Hilfeschrei. Sie redet von Gittern, vom Klopfen an Rohren. Der Raum ist dunkel bis auf das einsame Licht der Taschenlampe, bedrückte Stimmung. Dann springt Britney auf und mimt Michael Jackson. Showtime.

Britney Britney heißt das Stück, das im LOFFT gespielt wird, es ist eine Eigenproduktion vom Regisseur Stephan Thiel und den beiden Darstellern Tilla Kratochwil und Dan Pelleg. Eine Textcollage in Verbindung mit dem Faust von Johann Wolfgang von Goethe.

Gefangen in einem Wald von Leistungsdruck, Presse, Fans, Familie und der Welt wird das Leben und Leiden von Britney verhandelt. Und die Welt bleibt auch nicht stehen. Ihr Tänzer verlässt den Probenraum und lebt sein Leben. Britney ist gefangen in ihrer Soll-Karriere und ihrem Dasein als Unschuldswesen, stets mit einem Aufpasser an ihrer Seite. Der Rasierer lächelt einen in einsamen Momenten so verführerisch an. Die Haare, die Haare dürfen nicht ab, und doch ist es die einzige Revolution, die ihr vergönnt bleiben soll.

Es ist ja nicht so, dass sich Britney das Ganze nicht gewünscht hätte. Als Kind ging sie einen Pakt mit dem Teufel ein – der Bogen zum Faustmythos wird gezogen. Britney ist Faust, und der Teufel wird gespielt von Micky Maus.

Die Idee ist obskur und sehr amüsant, Dan Pelleg schwebt als Luzifer höchstpersönlich tanzend in einer roten Unterhose, Micky-Maus-Maske und passenden Handschuhen durch den Raum. Es ist das Verlangen nach mehr und mehr und mehr, das Britney antreibt. Wie, nur Platz 14? Würden sich nicht viele für Platz 14 ein Bein abhacken lassen? Woher kommt der Drang, noch berühmter zu werden und berühmter zu bleiben? Der Teufel hilft beim Ruhm, doch Seelenheil konnte die Hölle nie bescheren.

Britney Spears’ Existenznöte sind in dieser Inszenierung nicht ernst zu nehmen. Die Darstellerin Kratochwil zieht ihre Rolle gnadenlos ins Lächerliche, und Micky Luzifer lacht und tanzt, lacht und tanzt. Das Oberflächliche erobert bei solchen Ideen leicht die Bühne, theaterkosmos53 sind einen Pakt mit der Flapsigkeit eingegangen, mal sehen, wie sie da wieder rauskommen. Sie jubilieren und spielen mit ihren blonden Perücken, sie tanzen mit Rasierern und rufen: „Hey, Justin, du auch hier! Uh, Christina, cute outfit!“

Der im LOFFT bereits bekannte Regisseur Stephan Thiel hat sich hier eine schwierige Aufgabe gestellt: Wie jemanden dem allgemeinen Mitleid zur Verfügung stellen, über den doch so gerne gelacht wird? Wie Britney Spears ins Rampenlicht schieben, wenn sich jeder sagt „Lasst doch mal die arme Britney in Ruhe“? Er löst diese Aufgabe, wenn auch spät. Das Stück schwankt zunächst im Wechsel zwischen halbherzigen Versuchen von Tiefgang und ganzganzschnellwiederbefreienden Gags. Die Tänze der beiden Darsteller wirken zunächst nur albern. Dann schwebt die Erkenntnis auf den Zuschauer hernieder und plötzlich – zack – ist da die Gänsehaut.

Es ist Britneys Nervenzusammenbruch. Eingeleitet wird er durch eine Form von Mitmachtheater, die tatsächlich mal Spaß macht: Das Publikum singt die Bassline zum Song „If you seek Amy“ und Pelleg steuert die Melodie bei. Dann folgt ein Zusammenschnitt aus Pressestimmen zu Britneys Niedergang, und während Kratochwil und Pelleg tanzen, möchte man nach vorne gehen und die kleine Britney ein bisschen in den Arm nehmen.

Der Abend hinterlässt ein gutes Gefühl, keine Nachdenklichkeit, aber dafür Ohrwürmer. Es ist ein leichtes Stück. Eine Interpretation von Goethes Faust, wie man sie definitiv noch nicht kennt.

Britney Britney

Theaterkosmos53

R: Stephan Thiel

Mit Tilla Kratochwil und Dan Pelleg

Premiere: 21. Oktober 2010, Lofft

www.theaterkosmos.de

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