Leicht und bunt

Das Theater der Jungen Welt zeigt in Kooperation mit dem Herzzentrum Leipzig ein Puppenvarieté

Das „Obenpersonal“ und ihre Marionetten (Foto: Theater der Jungen Welt)

Bunt sind gerade die Wälder. Die gestrige Premiere des Puppenvarietés Herzklopfen kostenlos in der Regie von Marion Firlus war es auch. Varieté. Das Fremdwörterbuch erklärt es als Theater mit bunt wechselndem Programm artistischer, tänzerischer und gesanglicher Darbietung und bezieht sich dabei sicherlich auf den Menschen als Ausführenden, nicht auf Marionetten. Bei Herzklopfen kostenlos traten die Menschen als Obenpersonal, Fädengrabscher oder non-puppets in den Hintergrund und überließen die Bühne 13 hoffnungslosen, seidenfädenen Talenten aus aller Welt, die ihre alten Nummern als neue Sensationen präsentierten. Im mit Tischtelefonen, Showtreppe, Tischlämpchen und roten Tischdecken bestens geeigneten Kellerclub des Cafés Telegraph stimmte das Ambiente. Zwischenapplaus erlaubt. Den roten Faden der vermeintlichen Abstimmshow teilte sich die von der Kostümbildnerin Doreen Winkler befederboate Mrs. Peachum (Obenpersonal: Violetta Czok) mit dem smarten Vito (Obenpersonal: Wilfried Reach). Unterstützend tätig war das bezaubernde Nummerngirl Paula alias Paul Kuhn in glitzi-glitzi Silberpumps unter A-Linienbobperücke. Wunderhübsch.

Ist der schön!

Die Marionetten stammen einerseits aus dem Fundus des Theaters der Jungen Welt, anderseits sind es Leihgaben aus Zwickau, des Figurentheaters Chemnitz, aus Dresden oder aus dem Privatbesitz der Fädengrapscher. Kunstvoll hauchten die hauseigenen Puppenspieler Violette Czok, Wilfried Reach und Dirk Baum den teilweise hundert Jahre alten Puppen Leben ein und ließen jede ihre eigenen artistischen Tricks vollbringen. So balanciert der Mann mit der Stange eine – ja, genau – Stange auf jeglichen Gliedmaßen, Clown Charly (O-Ton Sitznachbarin: „Ist der schön!“) erzählt einen nicht lustigen Witz und vollführt etwas nicht akrobatisch Akrobatisches. Natascha aus Russland hat Platzmangel oder es gern warm: Sie zaubert ihre acht Kinder aus ihrem Marionettenkörper hervor, Mr. Smith aus England verlängert seinen Hals um ein Vielfaches und die Großfamilie aus Indien spielt Püppchen-wechsel-Dich: Zwei Puppen verstecken sich in einer.

Grenzübertritt

Kritisch zu betrachten ist die Darstellung der tatsächlich gelb angemalten Puppe Herr Cheng im Stück. „Del wiedelkehlende Stölenflied ohne Staltnummel“ aus China hat genau so gesprochen und wurde als Frühlingsrolle, gelbgestreift oder Chinaböller betitelt. An der (historischen) Puppe kann man gewiss nichts ändern, an Bezeichnungen wie oben schon: Man kann sie weglassen. Vor allem wenn der Rassismus in der Nachbarstraße wohnt. Und so klang die schlussendliche Vergabe einer „Staltnummel“ und der Sieg des Herrn Cheng nur wie eine Entschuldigung, ein Versuch der Wiedergutmachung statt einer Auszeichnung für sein Können.

Mit Herzklopfen kostenlos wurde Jürgen Zielinskis Wunsch nach einem Puppenvarieté auf seiner Bühne erfüllt. Einen Anspruch an textliche Tiefgründigkeit hat es nicht, auch nicht an Political Correctness. Angenehm anzuschauen ist es dennoch. Hineinspaziert. Sehen Sie etwas Leichtes. Lachen und staunen Sie. Nachsinnen erlaubt.

Herzklopfen kostenlos

Regie: Marion Firlus

Kostüme: Doreen Winkler

Bühnenbild: Jule Dohrn-van Rossum

Mit: Dirk Baum, Violetta Czok, Wilfried Reach

Premiere: 29. Oktober 2010, Theater der Jungen Welt


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