Au revoir Oleg Popow

Der wohl berühmteste Clown der Welt gastierte mit dem Großen Russischen Staatscirkus in Leipzig

„Für immer, euer Popow“ (Fotos: Der Große Russische Staatscirkus)

Die roten Clownschuhe watscheln langsam aber entschlossen hinaus auf die Manege. Sie scheinen müde zu sein, heben sich beim Laufen nicht weit vom roten Teppich ab, als müssten sie sich ihre Kräfte gut einteilen. Treuherzig dienen sie ihrem alten Herrn, der eine zu kleine, schwarze Jacke trägt, die wie eine zweite Haut um seine runden, kräftigen Schultern liegt. Seine schwarz-weiß karierte Mütze verdeckt ein wenig das faltige Gesicht, welches durch die vielen Bühnenjahre unverwechselbar die Züge seiner Clownsmimik angenommen hat.

Der alte Herr feierte letztes Jahr seinen achtzigsten Geburtstag. Er steht seit 60 Jahren auf den Bühnen dieser Welt. Meine Damen und Herren: Oleg Popow.

Seine blauen Augen leuchten wie eh und je und suchen gezielt nach großen Kinderaugen in den ersten Reihen der Zuschauer. Langsam aber treffsicher wirft er ihnen einen bunten Luftballon zu – und scheint sich dabei genauso zu freuen wie sie.

Er weiß, was es für ein Kind bedeutet, einen bunten Luftballon von einem echten Clown zu bekommen. Er erzählt gern, wie auch ihm, dem kleinen Oleg, mal ein echter Clown dieses Geschenk machte und wie er ihn dann mit nach Hause nahm und unter sein Kopfkissen packte.

„Ich möchte all das zurückgeben, was mir das Publikum über all die Jahre gegeben hat: Lachen, Freude, Humor und einen bunten Ballon. Für immer, euer Popow“, hören die Zuschauer Popow im aufgenommenen Vorstellungsvideo kurz vor seinem Auftritt sagen.

Ausgezeichnet mit dem „Goldenen Clown“

Es ist heute die vorerst letzte Vorstellung des Russischen Staatscirkus in Leipzig. Ein Blick durch die fast durchgängigen Reihen verrät: Sie überzeugt die Zuschauer. Selbst der leidenschaftloseste von ihnen wird von den Artisten zu einer emotionalen Achterbahnfahrt gezwungen.

Mal schwelgt das Publikum in romantischen Gedanken, wenn Rodion und Juliette ihre akrobatischen Tanzeinlage vorführen, mal rutscht das Herz in die Hose, wenn einer der Akrobaten einen dreifachen Salto macht, um dann auf einem Stuhl in vier Meter Höhe zu landen, der von seinem Kameraden auf einer zwei Meter langen Stange balanciert wird. Und immer wieder schlägt der Puls schneller, wenn Gagik Avetisyan, der Charlie-Chaplin-Imitator, sich ein paar Opfer aus der Menge schnappt, um sie auf der Bühne zum Narren zu halten.

Popow, der Reprisenclown hat seine ganz eigene Art, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Er macht heute keine akrobatischen Einlagen mehr, er nimmt sich auch keine Opfer aus dem Publikum. Er belehrt das Publikum. Auf seine eigene, subtile Art.

Er erinnert in dieser Gruppe von Artisten, die ihre Übungen mit unnatürlich wirkender Perfektion vollführen und denen keine Fehler verziehen werden, daran, wie wichtig es ist Mensch zu bleiben. Das ist vielleicht nicht sein eigentliches Ziel, aber es gelingt ihm dennoch auf meisterhafte Weise.

Bei seiner berühmten Puppennummer, die er auch heute zeigt, ist seine Frau Gabriela als eine aufziehbare Puppe getarnt, die mit roten Bällen jongliert. Als sie plötzlich aufhört und sich auch nicht mehr richtig aufziehen lässt, gibt Popow ihr einen Kuss, und die Puppe bekommt plötzlich ein menschliches Antlitz in Form eines leuchtenden, roten Herzens. Popow hat ihr seine Liebe geschenkt.

Als er dann wieder alleine auf die Bühne kommt und einen Teller einpackt, den er zuvor mit spielender Leichtigkeit und beinahe beiläufig auf einem Regenschirmstil balanciert, kommt ein kleines Mädchen der Zirkusgruppe auf die Bühne. Sie schenkt ihm eine bunte Blume. Er freut sich so darüber, dass man gar nicht weiß, ob er das nur spielt oder ob er sich wirklich freut.

Als Popow das Publikum gerührt anschaut und es auffordert für das kleine Mädchen zu klatschen, ist der Funke übergesprungen. Das Publikum hat gelernt. Es klatscht nicht mehr so unkontrolliert begeistert wie bei den anderen Artisten, es klatscht vorsichtig, es klatscht so, als wolle es den alten Clown nicht enttäuschen.

„Man sagt, wenn ein Clown in eine Stadt kommt, ersetzt er eine ganze Ladung Pillen“, erzählte Popow unlängst in einem Interview.

Oleg Popow, dem berühmten Reprisenclown, ist dies heute Abend mit magischer Leichtigkeit gelungen.

Der Große Russische Staatscirkus

Festwiese Jahnallee

26. Februar 2011


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