Mario Schröder vereint weltweite Größen bei der Internationalen Ballettgala an der Oper Leipzig
Eine bunte Mischung illustrer Gäste fand am Samstagabend ihren Weg auf die Bühne der Leipziger Oper. Ballettdirektor Mario Schröder hat namhafte Institutionen Europas eingeladen und sie sind seinem Ruf gefolgt. Dreizehn Stücke erwarten die Zuschauer an diesem Tanzabend, doch zuvor bittet Schröder um einen Moment der Ruhe, im Gedenken an die Ereignisse in Japan.
Neben Schröder, der mit charmanter Moderation durch den Abend führt, darf natürlich Uwe Scholz als Choreograph hier in Leipzig nicht fehlen. Seit kurzem erst wieder im Spielpan zu finden ist die Große Messe von Scholz. Ein Spiegel verdoppelt die in schwarz gekleideten Tänzer, die mit einer klaren Körpersprache bestechen. Die abgegrenzten, kontrollierten Bewegungen erfahren erst zum Ende hin eine Unterbrechung. Die Körper der Tänzerinnen gehorchen nicht mehr, scheinen erschöpft. Puppengleich müssen sie von den Männern über die Bühne getragen werden, um an veränderter Position wieder und wieder zu beginnen, bis sich die Paare im Dunkeln verlieren. Die zweite Choreographie von Scholz ist ein alter Bekannter. Die Suite für zwei Klaviere ist tänzerischer Schlagabtausch und Wetteifern, mit einem schelmischen Augenzwinkern. Kiyonobu Negishi und Shota Inoue sind ein gut eingespieltes und technisch hervorragendes Team, es macht Spaß ihnen zuzusehen.
Ein Choreograph, den Leipzig in der nächsten Premiere Intershop wieder sehen wird, ist Mauro Astolfi. Während Maria Cossu und Marioenrico D’Angelo in How to pray ein Duett von einer fesselnden Schönheit zeigen, scheint das Publikum den Atem anzuhalten. Zur Musik von Johann Sebastian Bach und Lars Danielsson, aber auch in kompletter Stille zaubern die beiden Tänzer von der Spellbound Dance Company mit einer Geschmeidigkeit faszinierende Körperbilder.
Der Hausherr des Abends zeigt dem Publikum zwei Ausschnitte aus der zweiten Premiere der Spielzeit A Dharma at Big Sur/Carmina Burana. Besonders die Ensembleszenen aus A Dharma at Big Sur brennen sich einem ins Gedächtnis. Man blickt auf eine Bühne voller liegender Menschen, die mit langsamen Bewegungen das Bild von gerade Erwachenden erzeugen. Vereinzelt bilden sich Paare für einen kurzen gemeinsamen Tanz und lösen sich von der Menge. Am Ende der Choreographie die gleiche Konstellation, doch sie ist schneller, wirbelnder. Aus einem Meer sich windender Leiber lösen sich Duette, bringen uns Momente in einer scheinbaren Ewigkeit der Bewegung. Die anderen beiden Choreographien, die von der Oper Leipzig auf die Bühne gebracht werden, könnten unterschiedlicher nicht sein. Zum einen die perfekte Eleganz des klassischen Balletts in Die Flammen von Paris in einer Choreographie frei nach Vasily Vainonen, von Federica Vincifori und Burak Serkan Cebeci makellos getanzt. Mit rot-weiß-blauen Schärpen ausgestattet schweben sie synchron über die Bühne, ihre Sprünge und Drehungen gelingen ihnen mit Leichtigkeit. Das Publikum belohnt sie mit begeistertem Applaus – verdient, aber bestimmt auch dadurch bedingt, dass dies, wie Schröder uns wissen lässt, Cebecis letzte Spielzeit beim Leipziger Ballett ist. Wieder in der Gala vertreten – und das ebenfalls wie bei Warm up! als Abschluss des Abends – ist Erdbeermund, eine Choreographie Schröders für die Tänzerinnen des Ensembles. Ein mitreißendes Stück, wenn man sich auch streiten kann, ob dabei mit Wasserbottichen, offenen, später nassen Haaren und roten Flatterkleidern ein wenig zu dick aufgetragen wird oder nicht. Das Publikum jedenfalls war begeistert und beklatschte den launigen Schlusspunkt ausgiebig.
Neben Die Flammen von Paris standen drei weitere Grand Pas de Deux auf dem Programm. Die Gäste aus der Pariser Oper (Héloïse Bourdon und Florimond Lorieux) zeigten den Blauen Vogel aus Dornröschen und eine Variation aus Don Quichotte. Lorieux überragt bei Dornröschen, mit seinen Sprüngen scheint er seiner Partnerin manchmal beinahe davonzufliegen. Doch bei Don Quichotte holt Bourdon auf und beeindruckt mit ihrer Leichtfüßigkeit und ihren fouettés en tournant. Das dritte Pas de Deux bringt das Wiener Staatsballett mit Kiyoka Hashimoto und Masayu Kimoto, die im Donizetti Pas de Deux überzeugten. Ein harmonisches Duett, in dem beide sowohl in den gemeinsamen Partien als auch den Solovariationen (imponierend schnell: die entrechats von Kimoto) punkten konnten.
Ein Mann, eine Frau, ein Cellobogen. Aus diesen entspinnt sich ein Pas de Trois, Choreographie der zeitgenössischen Koryphäe Nacho Duato. In Multiplicidad wird Marina Jiménez zum Cello, auf dem der Künstler (Jean Philippe Dury in passendem Kostüm mit bauschigen Ärmeln und grauem Wams) die Musik von Johann Sebastian Bach spielt. Wie die Geliebte des Künstlers wirkt sie, die sich nicht ganz beherrschen lässt. Ein Spiel aus Begehren und Abweisen entspinnt sich in dieser wunderbar sinnlichen und kurzweiligen Interpretation, an deren Ende die beiden wieder in einer Umarmung vereint sind. Auch in der zweiten Choreographie von Nacho Duato, Herrumbre, wird das Zusammenspiel zweier Menschen thematisiert. Doch es ist melancholischer, ergreifender, vielleicht auch hoffnungsloser – am Ende bleibt der Mann allein zurück, während sie von der Bühne geht. Ein Pas de Deux von einer wehmütigen, berührenden Schönheit, das zu den Höhepunkten der Gala zählt.
Ebenso ein Höhepunkt war Der sterbende Schwan – die eindeutige Referenz zum Klassiker Schwanensee geht auf das Konto von Thierry Malandain, Direktor des Malandain Ballet Biarritz. Gleich dreimal stirbt der Schwan auf der Leipziger Bühne. Miyuki Kanei, Silvia Maghalaes und Nathalie Verspecht zeigen uns nacheinander sehr unterschiedliche Interpretationen der Rolle – vom zarten, beinahe verletzlichen Vogelwesen bis zu sehr abstrahierten Bewegungen. Und doch sind sie verbunden – über wieder erkennbare Momente wie ein Schütteln der Hüfte, das uns das Federkleid beinahe sehen lässt. Ganz ohne Kitsch, dafür mit einer eindrucksvollen Körper- und Bildersprache bringt Malandain seine Vorstellung vom sterbenden Schwan auf die Bühne.
Mit lang anhaltendem Applaus ehrt das Publikum diesen abwechselungsreichen Abend des Leipziger Balletts und seiner Gäste. Ein Tanzreigen, der mit durchgehend sehr guter Ausführung einen Bogen vom klassischen Grand Pas de Deux des Balletts bis zu zeitgenössischen Choreographien schlug. Eine Zelebrierung dessen, was sich Mario Schröder als Leiter des Leipziger Balletts auf die Fahnen geschrieben hat: Türen öffnen für Neues und trotzdem die Verbindung zu Bewährtem halten.
Internationale Ballettgala
Mit: Héloise Bourdon und Florimond Lorieux (Ballet de l‘Opéra National de Paris), Marina Jiménez und Jean Philippe Dury (Compañia Nacional de Danza de España, Madrid), Kiyoka Hashimoto und Masayu Kimoto (Wiener Staatsballett), Kanei Miyuki, Silvia Maghalaes und Nathalie Verspecht (Ballet Biarritz Thierry Malandain), Maria Cossu und Marioenrico D‘Angelo (Spellbound Dance Company, Rom) und Tänzer des Leipziger Balletts.
Gastspiel: 12. März 2011, Oper Leipzig
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