Wanted: Freiheit

Jürgen Kruse spielt in seiner neuen Inszenierung „Easy Rider“ mit Klischees und lässt Best-of-Sixties-Träume platzen

Hagen Oechel (Fotos: R.Arnold/Centraltheater)

Coca Cola, Marlboro, Bourbon – das ist der Geschmack der Freiheit. Das ist Amerika. Das ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das seine Freiheit beteuert, bewirbt und bekämpft. Ein Land voller Oberflächlichkeit, in dem alles aufgesetzt ist, nur zu sein scheint und nichts tatsächlich ist – wie in einem perfekt inszenierten Theaterstück?

Jürgen Kruse bringt die Scheinheiligkeiten des zu bröckeln beginnenden American Dream in Easy Rider auf die Theaterbühne. Grundlage ist der gleichnamige Kultfilm mit Dennis Hopper, Peter Fonda und Jack Nicholson aus dem Jahr 1969. Am 18. März erstehen die Filmhelden Billy und Wyatt bei der Premiere in der Leipziger Skala wieder auf. Motorräder haben sie keine mehr – dafür aber Karussellpferde.

Als ob man das Publikum auf einen Trip hochzuschaukeln versucht, wiederholen sich zu Beginn des Stücks die ersten Sekunden von Steppenwolfs The Pusher gefühlte 100 mal und werden dabei immer lauter. Die Boxen kratzen, während eine kaugummikauende Frau im Petticoat unermüdlich mit einer Axt auf ein Stück Pappe einschlägt. Die Inszenierung kommt schleppend in Gang. Dann passiert so einiges – aber nichts ist von Dauer.

Was vom Hippiedasein übrig geblieben ist, sind oberflächliche Bilder, mit denen das Stück nicht geizt: Blumenkinder liefern sich eine ausgelassene Wasserschlacht und lungern im nächsten Moment rauchend und coke-schlürfend um einen Tisch. Die Karikatur eines unbeschwerten Lebens mit Rockmusik, Müßiggang und Bob-Dylan-Zitaten.

Eine Inszenierung voller Klischees, die beweist, dass von den vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten nicht viel überlebt hat – außer Musik. Songs toter Idole wie Jimi Hendrix und eingerosteter Altrocker wie den Stones erklingen über die bis zum Maximum aufgedrehten Boxen. Nur zu gern möchte man am Bühnengeschehen Teil haben, sich mittreiben lassen. So wie Billy (Edgar Eckert), Captain America (Manuel Harder) und Jack (Hagen Oechel) am Lagerfeuer über Haare philosophieren, sich wie Sister Morphene (Sarah Franke) der Musik hingeben, eine andere Zeit und einen anderen Raum betreten.

Der Raum, in dem wir uns – eng aneinander gequetscht – tatsächlich befinden, wird durch das Lagerfeuer immer heißer. Dollar und Goldschnipsel fliegen durch die mit Zigarettenqualm angereicherte Luft. Trotz Atmosphäre ist man nur dabei statt mitten drin, wird Zeuge einer Zurschaustellung von vermeintlich Freien und ihrem Feindbild – den tatsächlich freien, tragischen Helden.

Kruses Stück beeindruckt visuell und akustisch, ist ein Fest für Augen und Ohren. Über den Film geht es aber nicht hinaus, schafft nichts Neues. Der Originaltext wird wahlweise erweitert, verfremdet oder gekünstelt überspitzt dargeboten. Auch der Soundtrack ähnelt dem des Films, untermalt das Bühnengeschehen genauso wie die Filmhandlung. So reizüberflutend und gigantisch das Bühnenbild (Fabian Siepelmeyer) mit Karussellpferden, an der Decke baumelnden Reifen, Pflanzen, loderndem Lagerfeuer auch wirkt – die Filmszenen laufen durch mehr oder weniger entstellte Texttreue im Hinterkopf ab.

Die Best-of-Sixties-Seifenblase zerplatzt, als Billy erschossen wird. Mit der einsetzenden Musik und dem zufriedenen Grinsen des Todesschützen sieht man förmlich den Abspann vor Augen. Was bleibt, ist nicht weniger als die Frage danach, warum der Kapitalismus die Freiheit abknallt…

Easy Rider

Co-Regie: Jürgen Kruse

Mit: Nicole Balsters, Mareike Beykirch, Edgar Eckert, Sarah Franke, Manuel Harder, Günther Harder, Carolin Haupt, Zenzi Huber, Andrej Kaminsky, Hagen Oechel, Tobias Rentzsch, Hanna Werth

Premiere: 18.März 2011, Skala


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