Heul doch, Mann!

Das Büchlein „[r]echte Kerle“ nimmt sich die Männerrechtsbewegung zur Brust

Der Traum vom Heldenleben, von Stärke, Aufstieg und Glanz, Esprit und Jagd, von Weite, die zu erobern, vom Gipfel, der zu erklimmen ist, von der strahlenden Schönheit des ‚freien Männerhelden’, dem dies gelingt – wie sollte er sich an Frauen haften können, an die privaten, eingeschlossenen Wesen, die mit dem Schmutz des Alltäglichen in Beziehung stehen …
Klaus Theweleit: Männerphantasien 2


Als Jörg Kachelmann sich in einem Interview mit der Schweizer „Weltwoche“ kürzlich über die in seinen Augen philogyne „Gaga-Justiz“ in Deutschland ausließ, lieferte er – ob nun wissentlich oder nicht – ein Paradebeispiel für das Denkmuster der Männerrechtsbewegung ab: „[E]s geht mir um Recht und Gerechtigkeit, vor allem auch darum, andere Männer vor Nachahmungstaten zu schützen, die es sicher schon gibt und von denen es mehr geben wird, wenn den Falschbeschuldigerinnen und Lügnerinnen vor Gericht nichts passiert. Rache und Vergeltung aus Hass hat die Frau geübt, die mich zu Unrecht beschuldigte.“ Und noch etwas zugespitzter: „Der Vergewaltigungsvorwurf ist dank einer pervertierten Justiz zum nützlichen Instrument geworden, mit dem Frauen ungestraft Männer loswerden können.“*

Nun mag man diesen Fall, in dem alle Seiten mediale Manipulationen etc. bedienten, bewerten wie man will – von Wahrheit und Gerechtigkeit wird hier niemand mehr reden können. Hieraus aber eine Pauschalbeurteilung oder Verurteilung abzuleiten, ist absoluter Bullshit und widerspricht nicht nur allen Regeln der Begründungslogik, sondern beflügelt maskulistische Ressentiments. Über eine solche unzulässige Verallgemeinerung läuft ein Gros der Männerrechtsargumentation. Der Maskulismus ist ein in den USA schon länger virulentes Phänomen, das schließlich über den großen Teich schwappte und sich seit der Jahrtausendwende vor allem im Netz etabliert. Neben eigenen Seiten pflegen die daran Beteiligten die Themensetzung in anderen Webforen. Dort geht es meist zunächst um einen Einzelfall – oft ein Vater, dem die Ex-Partnerin das Recht auf angemessenen Umgang mit dem gemeinsamen Kind o. Ä. verwehrt. Die singuläre Geschichte wird dann alsbald zum allgemeinen Phänomen aufgeblasen und sodann zum Betroffenheits- und Forderungskatalog der Männerechtsbewegung übergeleitet. Jungen und Männer würden, heißt es da, in dieser Gesellschaft systematisch und strukturell benachteiligt und deshalb werden Gleichstellungspolitik oder feministische Forderungen gegeißelt. Die Forderungen sind geprägt von einer biologistischen Sicht und einem kläglichen Opfermythos. Am unplausibelsten ist die Klage, dass Männer häufiger Opfer von Gewalt werden als Frauen, Männer also – das ist die Diskriminierung – öfter in Kneipenschlägereien etc. von anderen Männern aufs Maul bekommen. Das ist unschön und individuell auch zu bedauern, ein contra-feministisches Argument kann man nicht darin entdecken.

Während sich die VertreterInnen dieser Männerrechtsbewegung zu TabubrecherInnen und FreiheitkämpferInnen stilisieren, bekommen KritikerInnen von ihnen gern das Label der Feminismus-„Keule“ umgehängt. Sie werden zu Zensoren der „Politischen Korrektheit“ verzerrt oder sind „Gutmenschen“, die sich von achso bösen Feministinnen einwickeln lassen. Dem setzen sie unter anderem die gemeinsame Verabredung zum Herumtrollen entgegen – richtige Männer müssen sich wohl immer kollektiv ausleben – und überschwemmen insbesondere feministische Seiten mit Kommentaren und Beleidigungen. Auf der Seite http://hatr.org findet sich eine endrucksvolle Auflistung solcher in ihrer Sprache eindeutigen Comments.

Wie diese Männerrechtsbewegung entstand, ist nun nachzulesen in Andreas Kempers Buch [r]echte Kerle. Zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung. Kemper skizziert kurz und knapp die bundesdeutsche Entwicklung von profeministischen Männergruppen aus den 1970ern hin zur heutigen bürgerlichen, hetero-sexistischen Männerrechtsbewegung, zeigt Bruchlinien und Unterschiede auf. Die Klammer im Titel weist daraufhin, dass nicht jeder Vertreter dieser Bewegung gleich rechtsradikal ist. Viele ihrer Argumente bedienen sich aber neurechten und nazistischen Denkmustern, weshalb sich hier immerhin eine Grauzone auftut. Oft genug wird hier das tradierte Kleinfamilien-Idyll mit dem Mann als Ernährer und der Frau als Mutter und Haushüterin gepflegt, was man mindestens „konservativ“ nennen muss. Alleinerziehende, Patchwork-Familien und homosexuelle Partnerschaften werden in der Regel abgelehnt und diffamiert. Im Ringen um die Deutungshoheit im Gender-Diskurs münzen MaskulistInnen viele Begriffe um und besetzen sie anders. Dabei hüllt sich ihr Antiegalitarismus ins Gewand von Freiheit und Gerechtigkeit, und es wird von einer wirklichen Emanzipation gesprochen, in der auch die Männer befreit werden müssten. Überschneidungen mit rechten Denkmustern und Einstellungen finden sich insbesondere in den Bereichen Sexismus, Chauvinismus, Rassismus, Ethnozentrismus, Antisemitismus, Nationalismus und autoritärer Charakter. An einem Beispiel einer Forendiskussion auf einer der bekanntesten MaskulistInnen-Seiten zeigt Kemper abschließend und erschöpfend alle diese Muster auf. Seine kleine, aber erhellende Lektüre lässt besonders den Leser befremdet zurück: Es ist schon komisch, zu welch absurden Positionen die Verunsicherung fest gefügt geglaubter Rollenvorbilder führen kann. (Willkommen in der Postmoderne!) Immerhin funktioniert der gut geölte Freund-Feind-Mechanismus noch – und bist du nicht willig, dann heule ich halt.

* „Lächerlicher Wahnsinn“, Roger Köppel, Weltwoche

Andreas Kemper:

[r]echte Kerle. Zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung.

Unrast Verlag

Münster 2011

72 Seiten – 7,80 €


Ein Kommentar anzeigen

  1. Was ist denn die Unterdrückung von Wissen und der Meinung Anderdenkender anderes als „faschistoid“?

    Sonst sind die Extremlinken wie Kemper alias „Schwarze Feder“ doch auch nicht so zimperlich, wenn sie selbst mit den Begriffen faschistoid/faschistisch etc. um sich werfen.

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