Jahrhundertschau der Musikgeschichte

Das internationale Festival für Vokalmusik a cappella Leipzig begeisterte auch in der zwölften Auflage

Fotos: Andreas Neustadt

a cappella in Leipzig – und wieder ist die ganze Stadt in das markante Orange des Festivals getaucht. Über alle Grenzen hinweg bedient das Festival jedweden Musikgeschmack. Das diesjährige Programm reicht wie gewohnt über mehrere Jahrhunderte der Musikgeschichte.

BR6 – ein Sextett aus Rio de Janeiro bringt südamerikanische Rhythmen ins sommerliche Leipzig. Die Veranstaltungstonne in der Moritzbastei ist am 19.6. völlig überfüllt – das in der Moderation angekündigte gemeinsame Samba-Tanzen ist so leider nicht möglich. Trotzdem beginnt das Publikum vom ersten Takt an die Hüften zu wiegen. BR6 ist Populärmusik pur, mit viel Humor rast man durch Bossa Nova, Samba und Musica Popular. Gestische Einlagen ergänzen den fröhlichen Auftritt der sechs Brasilianer. Ob es an der Akustik der Tonne in der Moritzbastei lag? Die Qualität konnte leider die verwöhnten Ohren der geschulten a cappella Festivalbesucher nicht überzeugen. Zu eindimensional wirkte der Vokalgesang und an vielen Stellen war das Ensemble einfach nicht zusammen.

Am Tag danach dann war das Highlight des Festivals zu erleben: Bobby McFerrin, das Multitalent aus New York City. Seit fast 40 Jahren mischt er die Musikwelt auf, ja man kann das schon mal so sagen! Nach seinen Anfängen im Jazz revolutionierte er mit seinen Solo-Konzerten alle gängigen Kategorien. Der Erfolg treibt ihn stetig weiter, mit der menschlichen Stimme das klassische Instrumentarium von U- und E-Musik zu ergründen. Warum sollte man nicht die Violine in einem Bach-Konzert durch die Stimme ersetzen? Heute im Zeitalter von amarcord, der Wise Guys und wie sie alle heißen, sind diese Fragen obsolet geworden. Doch in den achtziger Jahren musste das erst mal jemand erfinden! Die Stimme ist direkteste Art Emotionen auszudrücken und der ewige Meister dieser Kunst ist Bobby McFerrin:

Auf der Bühne des großen Saals des Gewandhauses steht nur ein Stuhl, McFerrin in Jeans und lila T-Shirt setzt sich da einfach hin und fängt an. Was er eigentlich macht ist schwer zu beschreiben, auf eine Frage aus dem Publikum, seine Art der Musik zu definieren antwortet er: “That´s vocal conversation“. Rein faktisch gesehen ist das sicher richtig, doch was er darüber hinaus mit dem Zuhörer im ausverkauften großen Saal des Gewandhauses macht, ist eine Art musikalische Magie, eine in Trance-Setzung. Spontan stimmt der Saal zu einem Stück von Bach ein, spontan meldet sich eine junge Frau und tanzt zu McFerrins wunderbarem Vokalgesang, sie tanzt nicht nur dazu, die beiden interagieren nach kurzer Zeit!

Ebenso melden sich Solisten aus dem Publikum, um mit McFerrin auf dem Bühnenrand sitzend vokale Konversation zu betreiben. McFerrin hat als Mensch und Musiker eine Art spirituelle Präsenz, seine Blicke, sein Lächeln scheinen jedes Mal ganz direkt eine Art von Energie zu übertragen.

Er singt und agiert ungefähr anderthalb Stunden, nach einer kurzen Zugabe bleibt die Tür Richtung Backstage leider zu. Aber das passt zu McFerrin, er ist nicht der Musiker der sich feiern lassen muss, er will die Menschen erreichen und inspirieren und das ist ihm heute Abend mehr als gelungen!

Das Abschlusskonzert im Großen Saal des Gewandhauses ist traditionell schon Wochen vorher ausverkauft, hat man doch die Möglichkeit hier mehrere Vokalensembles im direkten Vergleich zu erleben UND die Preisträger des Wettbewerbs präsentiert zu bekommen. In diesem Jahr konnte sich die Jury nicht auf einen Gewinner einigen. Jeweils ein Preis ging an die österreichische Formation Lala und die polnische Band Audiofeels. Eigentlich eine schöne Entscheidung zwei vom Ansatz und vom Kulturkreis her unterschiedliche Konzepte zu prämieren. Lalas Fokus liegt in der Kultur (Nieder)-Österreichs, Mathias Kaineder komponiert in der charakteristischen Sprache dieses Landstrichs, einfühlsame Lieder über das Alleinsein und die Liebe.

Audiofeels erinnert an Take6, „A true affirmation of sound“ schreiben die acht Männer auf ihre Website, vor allem ihre Imitation von Instrumenten ist so „true“. Das Publikum kann begeistert miterleben wie Bartek Kitek Michalak die ganze Percussionwelt auf die Bühne bringt ohne Instrumente.

Eindrücklichste Erinnerung dieses Abschlusskonzerts wird die Internationalität bleiben, neben den famosen finnischen Rajatons agiert das armenische Ensemble Luys, die fünf Frauen sind vom Großen Saal des Gewandhauses und dem begeisterten Publikum sehr beeindruckt offensichtlich gelingen ihnen ihre liturgischen Gesänge in einer hohen Intensität.

Wie gewohnt moderieren die ehemaligen Thomaner von amarcord das Konzert, in einer bezaubernden Kollegialität präsentieren sie uns die weltweiten Strömungen von a-cappella Musik. Ein wichtiges Festival ist das, weil es viel mit der Stadt Bachs und des Thomaner Chors zu tun hat.

a cappella Leipzig, 12. Internationales Festival für Vokalmusik

18.–26. Juni 2011


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