Finanzsektor und Literaturbetrieb tapsen in die gleichen Daseinsfallen: der Roman „Bankster“ des Isländers Guðmundur Óskarsson
Wieder ein literarischer Versuch, die internationale Finanzkrise zu verarbeiten. Bankster wurde in Island von der Presse sehr gelobt. Guðmundur Óskarsson (geboren 1978) erhielt dafür sogar den isländischen Literaturpreis. Die Geschichte von Markus und Harpa, die beide quasi über Nacht ihre Jobs im Finanzsektor verlieren, hat sich Óskarsson nicht nur selbst ausgedacht. Selbst soll er 2008 bei der Landsbankinn Island gejobbt und so die Auswirkungen der Finanzkrise quasi am eigenen Leib miterlebt haben. Welch Dramatik! Nach dem banalen Rezept „etwas Authentizität, unbedingt Zeitgeist und eine Liebesgeschichte“ hat Óskarsson seinen Roman zusammengezimmert. Ja, hat denn niemand gemerkt, welche dünnen Bretter hier gebohrt werden?
Seitenweise wird die innere Zerrissenheit eines aus dem Leben geworfenen Paares halluziniert. Die Tagebucheintragungen von Markus transportieren wirklich banalen Unsinn: „Heute Morgen haben sich Sonnenstrahlen an den Vorhängen vorbeigequetscht. Das Licht war warm, und auch im Zimmer war es warm. Wir hatten beide unsere Decke zur Seite geschlagen. Sie lagen wie ein breiter Gebirgszug in der Mitte des Bettes.“ Was soll der Quatsch? Worthülsen wie „… Die Wirklichkeit war nie etwas anderes als eine Sammlung schlecht kopierter Ideen“ lassen den Leser ratlos zurück; an der Übersetzung von Anika Kindler kann das nicht liegen.
Irgendwann dämmert einem dann, was uns Bankster wirklich vermitteln kann, ja, die eigentliche Ursache der weltweiten Finanzkrise werden im Ärger über dieses oberflächliche Geschreibe deutlich: Die Leute, die diese Sache zu verantworten haben, sind einfach viel zu jung. Ohne Lebenserfahrungen, ohne eine Sicherheit im Urteil wurden die zwanzigjährigen BWL-Studenten auf die Finanzwelt losgelassen. Es ist doch lächerlich zu lesen, wie sich diese Leute um die Ratenzahlung ihrer Eigentumswohnung Sorgen machen oder darum, zukünftig auf den Verzehr von Foie gras verzichten zu müssen. Um eine Foie gras wirklich schätzen zu können, muss man erst einmal selbst ein Stück gegangen sein. Sollen sie doch wieder Pommes Frites essen, die selbsternannten Finanzakrobaten dieser Welt! Vielleicht schafft der eine oder andere den Weg bis zum Foie gras noch.
Peinlich, wirklich richtig peinlich wird die Sache, wenn Óskarsson die persönlichen Reaktionen der gekündigten Finanzjongleure mit Goebbels Reaktion (im Film Der Untergang) auf den Untergang des 3. Reichs vergleicht. Dass dieser Blödsinn durchs Lektorat gegangen ist, spricht nicht für die isländische Literatur. Viel zu jung, viel zu schnell hochgehypt, die Akteure in den Banken, das ist die (versteckte) Botschaft und das Gleiche auch im Literaturbetrieb! Der Literaturbetrieb schadet jungen Autoren wie Óskarsson, wenn Romane wie Bankster auf der Welle der Tagesaktualität hochgespült werden. Es schadet natürlich auch den Lesern.
Guðmundur Óskarsson: Bankster
Roman. Deutsche Erstveröffentlichung
Aus dem Isländischen von Anika Lüders
Frankfurter Verlagsanstalt
Frankfurt – September 2011
254 Seiten – € 22,90
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