Der MDR sucht sein (Klassik-)Profil

Das MDR Sinfonieorchester spielt im Gewandhauskonzert Werke von Glanert, Sibelius, Kreis und Strauss

Sarah Chang und das MDR Sinfonieorchester (Foto: Christiane Höhne)

Reiheins – seit der letzten Spielzeit hat der MDR dieses neue Format. Reichlich gestelzt fällt schon diese Wortschöpfung aus: Sagt man nun „Reihe Eins“ oder „Reihe Ins“. Diese Spielzeit geht es bei Reiheins um Geschichten, wie uns Frau Dr. Behrendt in einer kurzen Anmoderation erläutert, richtiger: in schönstem MDR-Deutsch von ihrem Zettel abliest. Geschichten – so, so, allgemeiner geht’s wohl nicht? Allgemein und für die breite Masse, nach dieser Devise versucht sich der MDR seit drei Jahren auch im Bereich Klangkörper – MDR-Orchester, MDR-Chor und MDR-Kinderchor – zu profilieren. Seit drei Jahren, seit Carsten Dufner am 1. September 2008 Hauptabteilungsleiter des Klangkörpers geworden ist. In dieser Zeit wurden die drei Klangrauschkonzerte innerhalb des Musiksommers abgeschafft, die ambitionierten Programme der Sendermusik sind längst aus dem Spielplan verschwunden. Die Neue Musik kommt nicht mehr vor beim MDR, doch halt, heute stehen ja 13 Minuten Detlev Glanert auf dem Programm! Doch Schluss mit der beißenden Polemik, schauen wir uns mal ganz sachlich an, wie der MDR das Vakuum, was er durch die Verbannung der Neuen Musik geschaffen hat, füllen will.

Reiheins – Geschichten und heute im ersten Konzert mit dem Zusatztitel Lebenswege versehen: Zuerst wird Aufbruch für Orchester von Detlev Glanert gegeben, danach Jean Sibelius´ sehr schwieriges und einziges Violinkonzert. Nach der Pause folgte eine Lesung: Home, sweet home von Christian Kreis, gelesen vom Schauspieler Manuel Harder. Beschlossen wird das Programm im Großen Saal mit Richard Strauss´ Ein Heldenleben. Nach dem Konzert geht es weiter mit der MDR-Lounge, was einen dort erwartet, bleibt erst mal offen. Also wirklich eine Menge, was der MDR so auffährt, was so geboten wird für die breite Masse. Leider bleibt diese aber aus: 500 Zuhörer sitzen heute vor 120 Musikern.

Glanerts Aufbruch ist ein brodelndes Stück Musik. Die permanenten Variationen entwickeln eine Tiefe, in der immer neue Klanglandschaften hörbar werden. Kammermusikalische Stellen nehmen die Energie der großen Tuttis mit. Jun Märkl gelingt es die auf- und abschwellenden Klangkaskaden immer transparent zu halten. Schön! Das Orchester glänzt besonders in den Bläsern. Doch nach 13 Minuten ist das Stück wie ein kurzes Aufblitzen auch schon vorbei.

Sarah Chang legt sich mit all ihrer mentalen und technischen Kraft in die Anfangsakkorde von Sibelius´ Violinkonzert. Im Weiteren zerfällt das Stück leider an den technischen Anforderungen. Chang kämpft sich bravurös durch den Solopart, das Orchester kann dem nicht folgen. Sibelius´ Partitur baut – wie bekannt – auf starke Effekte, sehr aufgeregt ist das, das Typische der nordischen Musik dieser Zeit, das elegische und träumerische vermisst man hier schmerzhaft. Der MDR tat sich leider keinen Gefallen, das Stück trotz der prominenten Kritiker ins Programm zu nehmen und so ist die Chance vertan, der Weltklassegeigerin Sarah Chang eine wirklich große Bühne zu bereiten. Die Stimmung ist also schon etwas getrübt, als Manuel Harder nach der Pause beginnt Home, sweet home vorzutragen. Der Text trifft einen völlig unvorbereitet: eine sehr subjektive Selbstbetrachtung des Elternhauses Kreis Ende der 1980er Jahre und der herrschenden Verhältnisse in der DDR. Was soll dieser Unsinn, fragt man sich verärgert? Ein Konzertabend mit Auslassungen über sozialistische Produktionsverhältnisse und die Westoma, dazu Glanert, Sibelius und Strauss. Sarah Chang, Manuel Harder und Christian Kreis, was hat das mehr miteinander zu tun als dass jeder mal eben zeigt, wo seine Qualitäten liegen – eine bunte Talente-Schau?

Nach dem Heldenleben von Johann Strauss ist man nur noch daran interessiert, hier so schnell wie möglich weg zu kommen. So eine Verschwendung, der Qualität des renommierten MDR-Orchesters irgendwelche Konzepte à la Reiheins überzustülpen. Das ist ärgerlich und man fragt sich, weshalb das niemand von den Stäben von Dramaturgen und Musikredakteuren des MDR auffällt. Vielleicht bringt die Verantwortlichen der heutige leere Große Saal des Gewandhauses ja mal zum Nachdenken über die Ausrichtung des MDR-Klangkörpers auf die breite Masse. „Masse schafft Klasse“, dass dieses Konzept im Bereich der Klassischen Musik nicht aufgeht, sollte man auch beim MDR langsam begreifen.

Reiheins

Detlev Glanert: Aufbruch für Orchester op. 11

Jean Sibelius: Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47

Christian Kreis: Home, sweet home

Richard Strauss: Heldenleben op. 40

MDR Sinfonieorchester

17. September 2011, Gewandhaus, Großer Saal


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  1. genau so einen mist und geschwafel gab es auch schon beim hr mit „spannenden“ !!! und unsäglich platten, vermeintlich originellen Programmen. Vielleicht liegt es daran, dass auich beim hr der Abteilungsleiter c.dufner zugange war

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