Rebellion eines Lustobjekts

Der Film „I’m not a f**king princess“ zeigt zwei schillernde Frauenfiguren im Paris der 70er Jahre und schwelgt dabei in opulenten Bildern

Violetta (Anamaria Vartolomei) und Mutter Hannah (Isabelle Huppert) (Bilder: X-Verleih)

Violetta ist ein Mädchen wie jedes andere. Sie spielt mit Puppen, läuft Rollschuhe, hat Spaß mit Schulfreunden. Doch ihre Mutter Hannah hat Großes mit ihr vor, und sie wird Violetta das Lachen austreiben. „Lächeln ist blöd. Das ist für Hochzeiten“, sagt Hannah, als sie ihre Tochter zum ersten Mal als verführerisches Objekt mit morbiden Accessoires vor der Kamera posieren lässt. Diese Fotos sollen Hannah zum Star der Pariser Kunstszene machen.

I’m not a f**king princess erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Mutter-Tochter-Beziehung, die es so wirklich gegeben hat. Anfang der 1970er Jahre wurde die Pariser Fotografin Irina Ionesco berühmt und umstritten, weil sie ihre Tochter im Alter von vier Jahren als Aktmodell inszenierte. 1976 avancierte Eva Ionesco mit Fotos in der italienischen Ausgabe des Playboy zum jüngsten Nacktmodell in der Geschichte der Zeitschrift. Eine Aufnahme auf der Titelseite in der Spiegel-Ausgabe vom 23. Mai 1977 sorgte sogar für die erste Rüge des Deutschen Presserats wegen Sexismus. Später wehrte sich die Tochter jahrelang gegen die weitere Publikation ihrer Fotos und verklagte Irina Ionesco mehrfach auf die Herausgabe der Negative. Eva Ionesco, heute selbst Fotografin, machte aus ihrer Zeit als kindliches Fotomodell im vergangenen Jahr einen Film, der im Mai bei den Semaine de la Critique der Filmfestspiele in Cannes gezeigt wurde und nun in die Kinos kommt.

Nicht nur für Ionesco ist I’m not a f**king princess eine Premiere. Die elfjährige Anamaria Vartolomei, unter 500 Mitbewerberinnen als Violetta gecastet, spielt hier ihre erste Filmrolle. Und sie verkörpert die Verwandlung vom naiven und leicht lenkbaren Kind zur selbstbewussten und rebellischen Kindfrau überraschend routiniert. Ionescos Film ist auch die Geschichte einer Emanzipation. Violetta hat zuerst Spaß an der Inszenierung vor der Kamera und genießt es, im Mittelpunkt der mütterlichen Aufmerksamkeit zu stehen. Doch dann begreift sie, dass Hannahs Interesse nicht ihrer Person, sondern nur ihrem Wert als Vermarktungsobjekt gilt. „Du benutzt mich!“, schreit Violetta ihre Mutter an, als diese sie bei einem Besuch in London zu Nacktaufnahmen mit dem Rockstar Updike (gespielt von einem melancholisch-verführerischen Jethro Cave) überreden will. Für das Mädchen, dem es schon vorher unangenehm war, für die Fotos seiner Mutter die Beine zu spreizen, ist damit eine Grenze überschritten. Von da an lehnt sich Violetta immer stärker gegen Hannah auf.

Hannah und Violetta sind für ein Fotoshooting bei Updike (Jehtro Cave) in England

Isabelle Huppert als Violettas Mutter glänzt hier erneut in der Rolle einer Frau, die eines nicht ist: konformistisch. Wie schon in Die Klavierspielerin (2001) und in Madame Bovary (1991) spielt sie eine Figur abseits gesellschaftlicher Konventionen. Mit ihrem platinblond gefärbten Haar, dem roten Lippenstift und ihrer glamourösen Garderobe wirkt Hannah wie eine unnahbare Hollywood-Diva aus den 1940er Jahren. Sie weiß, dass sie mit ihren Fotos aneckt, tut dies aber als Reaktion von „Spießern“ (ein Wort, das Hannah sehr häufig benutzt) ab, die keinen Sinn für Kunst hätten. Ihr Ziel, berühmt zu werden, verfolgt sie mit unerschütterlichem Ehrgeiz. Und bei Widerständen reagiert sie wie die Heldin aus einer Tragödie: Sie wirft sich laut stöhnend aufs Sofa oder schreibt Violetta leidenschaftliche Liebesbriefe. Isabelle Huppert spielt all dies mit großer Echtheit, ohne Furcht vor den Abgründen dieser exzentrischen wie zerbrechlichen Frau.

I’m not a f**king princess stellt die Frage, wie weit Kunst und wie weit kindliche Förderung gehen darf. Dass er dabei auf einen moralischen Unterton verzichtet, ist seine große Stärke. Stattdessen verharrt die Kamera sehr lange bei Violetta, wenn sie sich in Hannahs Spiegelkabinett zu barocken Arrangements aus Kreuzen, Totenköpfen und vertrockneten Blumen lasziv in Pose wirft. Eva Ionesco scheint hier selbst in den Bildern von damals zu schwelgen, die sie später so verachtete. Ihre Filmfigur Violetta mag zwar mit ihrer zunehmenden Ablehnung ihrer Rolle als Lustobjekt einen moralischen Standpunkt einnehmen. Doch ihre Rebellion lässt sich eher als natürliches Verhalten eines Kindes interpretieren, das zur Erwachsenen heranreift.

I’m not a f**king princess

Frankreich 2010, 104 Minuten

Regie: Eva Ionesco; Darsteller: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei, Denis Lavant, Jethro Cave

Kinostart: 27. Oktober 2011


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