Mit Tief- und Höhepunkten feierten die 5. Argentinischen Filmtage ein würdiges Jubiläum
Nach zehn Tagen Filmmarathon gingen am Sonntag die 5. Argentinischen Filmtage zu Ende. Die meiste Aufmerksamkeit gebührte natürlich den Filmen, aber zu Beginn mag ein kurzer Rückblick auf das Publikum interessant sein, welches nicht bunter hätte nicht sein können. Da waren das junge Paar, das an einer mitgebrachten Flasche Wein nippte und bemüht war, nicht allzu sehr mit der Chipstüte zu rascheln; zwei Spanisch sprechende Freundinnen Mitte Vierzig, die sich prächtig und lautstark amüsierten; und natürlich durfte der obligatorische Unbekannte nicht fehlen, der mitten zwischen den Sitzreihen eine Flasche umfallen ließ – genau dann, wenn im Saal Totenstille herrschte. Die Kinosäle selbst waren in den meisten Fällen gut gefüllt. Das Angebot des Veranstalters Sudaca e.V., der dem Leipziger und Hallenser Publikum Einblicke in die lateinamerikanische Kinolandschaft geben wollte, wurde durchaus gut angenommen.
Aus unzähligen Filmen wurden zum Abschluss in verschiedenen Kategorien die Festivalsieger gekürt. So setzte sich von sieben Wettbewerbsfilmen in der Kategorie Spielfilm El campo durch. Der Film handelt von einer Frau, die mit ihrer Familie aufs Land zieht und sich in der neuen Umgebung auf seltsame Weise verändert. In der Sektion Kurzfilm landete Luminaris von Juan Pablo Zaramella ganz vorn.
Die Jugendjury wählte Un tren a Pampa Blanca von Fito Pochat zum Gewinner des Dokumentarfilmwettbewerbs. Dieser begleitet die Reisen eines Ärzteteams, das sich mehrmals im Jahr von Buenos Aires ausgehend auf den Weg nach Nordargentinien macht, um den in Armut lebenden Menschen auf dem Land zu helfen. Aufnahmen aus dem Inneren des Zuges und langsam vorbei ziehende Landschaften, Sonnenauf- und Untergänge, Regengüsse: Der Weg ist langwierig. Mit gerade einmal 30 km/h machen sich die Helfer auf die Reise zu Kranken, die fernab von Städten wenige Chancen auf ärztliche Hilfe haben.
Zentral ist dabei die Geschichte des kleinen Kevin, der in Abständen über Jahre hinweg begleitet wird. Im Jahr 2005 geboren, wiegt er eine Woche nach seiner Geburt gerade einmal 2 Kilo. Ohne ärztliche Behandlung hat er keine Überlebenschance. Doch die Familie hat kein Geld, die Mutter ist krank. Die Kamera begleitet den Familienalltag, lässt dabei Mutter und Schwester, später auch den Vater zu Wort kommen. Dank den „Ärzten auf Schienen“ ist Kevin auch vier Jahre später noch am Leben und nicht der Einzige in der Pampa Blanca, dem von der rollenden Krankenstation geholfen werden konnte.
Neben den Wettbewerbssiegern hatten die Argentinischen Filmtage unumstritten weitere großartige Filme im Programm, aber auch solche, bei denen man am Ende den Kinosaal verlässt und sich fragt: Was war das denn?
Las piedras ist ohne Zweifel ein solcher Film. Er handelt von einem Paar, das an einem Flussdelta lebt und sich mehr und mehr voneinander entfernt. Der erste Langfilm von Regisseur, Drehbuchautor und Protagonist Román Cárdenas führt den Zuschauer zu Beginn mit einer Kamerafahrt den Fluss hinunter zum Haus der beiden Ex-Liebenden. Geredet wird nicht viel. Das wäre okay, wenn zumindest etwas passieren würde – aber es geschieht nichts. Als die Hälfte des Films um ist, dümpelt das Geschehen auf der Leinwand noch immer vor sich hin, sorgt allenfalls für einige Lacher, wenn ein Schädlingsbekämpfer durchs Bild läuft oder der männliche Teil des Paares mit seinem Freund eine Ewigkeit durch die Stadt fährt, um dabei Mädchen zu beeindrucken.
Künstlerisch ist der Film durchaus wertvoll, fängt er doch winzige Details ein und spielt mit Symbolik. Aber 30-sekündige Einstellungen auf ein beleuchtetes Haus sind, ohne dass etwas passiert, ermüdend. Eine Tanzszene im Club ist dann der trashige Höhepunkt. Unbeholfen zappeln die zwei Männer nebeneinander her und erzeugen Teenie-Komik à la American Pie. Das Publikum in der naTo wurde lauter, kicherte, unterhielt sich. Immer mal verließ jemand den Saal und kam zurück, ohne etwas verpasst zu haben. Man konnte froh sein, dass die Kamera nach 75 Minuten wieder flussaufwärts fuhr.
Tiefpunkte hin oder her, die 5. Argentinischen Filmtage waren ein würdiges Jubiläumsfestival. Sämtliche Geschmäcker wurden bedient, und zumindest in der 20-Uhr-Schiene waren die Veranstaltungen prall gefüllt. Und eines hatten das Paar mit Chipstüte und Weinflasche, die aufgeweckten südländischen Freundinnen und der Unbekannte mit der umgefallenen Flasche gemeinsam: Sie gingen mit Neugier auf Unbekanntes ins Kino und bekamen jede Menge Exotik zu sehen – wenn auch teilweise gewöhnungs- und erklärungsbedürftig. Vielleicht findet ja der ein oder andere Film bei den 6. Argentinischen Filmtagen seine Fortsetzung.
5. Argentinische Filmtage
23. September bis 2. Oktober 2011
www.argentinische-filmtage.de
Artikel zum Auftakt der 5. Argentinischen Filmtage
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